vonBlogwart 19.04.2009

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Martin Gajewski, Jahrgang 1955, war einer der Vorausabonnenten der taz, die die Zeitung 1978/79 möglich gemacht haben und ihr bis heute treu geblieben sind. Marlene Giese traf ihn auf dem tazkongress und hat ihn gefragt, warum er taz liest.

taz: Herr Gajewski, wie kommt man dazu, eine Zeitung zu abonnieren, die es noch gar nicht richtig gibt?
Martin Gajewski: Naja, es gab ja zur Frankfurter Buchmesse im Herbst 1978 schon die Nullnummer. Eine Zeitung wie die taz hatte ich mir damals schon lange gewünscht oder sogar ersehnt. Eine Zeitung, die sich mit den Dingen, die mir damals wichtig waren, offensiv auseinander gesetzt und eine Öffentlichkeit gegeben hat.

Welche Themen waren das?
Der Tunix-Kongress als Reaktion auf den Deutschen Herbst war damals hochaktuell. Die Aktionen, an denen ich in Gorleben teilgenommen habe, waren mir sehr wichtig. Jedes Mal, wenn man die gängigen Printmedien ansprach, wurde man enttäuscht. Die etablierten Zeitungsmacher interessierten sich entweder nicht für meine Belange oder beschönigten zum Beispiel Polizeieinsätze. Einige standen ganz klar auf Seite der AKW-Betreiber. Und die zukünftigen tazler waren ja auch nicht die einzigen, die das erkannt hatten; es gab noch die „Neue“ aus dem Spektrum der SED, die eine Woche vor der taz erschien. Die war nur leider nicht unabhängig.
Die tageszeitung war tatsächlich Erfüllung meines Wunsches, mehr von den für mich entscheidenden Themen zu lesen.

Gilt das dreißig Jahre später immer noch?
Ja, auf jeden Fall. Klar war ich anfangs auch enttäuscht, wenn ich meine Meinung nicht eins zu eins im Blatt wiederfand. Aber es ist auch sehr heilsam zu erkennen, dass es überall Pluralismus gibt. Weil eben nicht die eine Wahrheit existiert. Und das hat die taz bis heute durchgezogen, die gesellschaftlichen Debatten und Diskussionen abzubilden.

Was hat Sie in dreißig Jahren taz-Lesen am meisten gefreut?
…die nach wie vor bissige Auseinandersetzung mit den Sujets. Ich kenne keine andere Zeitung in Deutschland, die das so gut macht wie die taz.

Ihr Statement zur sonntaz?
Ich genieße es nach wie vor, gut recherchierte Hintergrundberichte und Analysen zu finden.

Und das neue Layout, für das eigens der mit dem World Best Designed Newspaper ausgezeichnete Lukas Kircher engagiert wurde?
Ich war mit dem Layout zufrieden, wie es war. Jetzt ist die Wochenendausgabe in Farbe; daran muss man sich gewöhnen. Die Schwarz-Weiß-Fotos fand ich auch immer sehr bestechend. Die erste Seite sieht jetzt mehr wie die anderer Tageszeitungen aus. Für mich ist wichtig, dass das Format so bleibt und ich in keinen Quadratmeter Papier vor der Nase habe.

Arno Luik, ehemaliger taz-Chefredakteur und Kulturjournalist des Jahres 2008 beklagte kürzlich in einem Interview, dass die taz sich selbst nicht mehr als ein Organ der Gegenöffentlichkeit wahrnehme, so wie sie es zu ihrer Gründung 1978 getan hat. Würden Sie dem zustimmen?
Nein, überhaupt nicht. Es ist wichtig, dass man nicht Zeitung einer Bewegung wird. Die wächst sich eh irgendwann aus. Sondern man muss aktiv und vehement die Vielschichtigkeit darstellen. Gute Recherche ist natürlich das A und O.

Ist die taz eine Zeitung für alle?
Ich würde sagen, jeder findet in der taz irgendetwas. Ob Sport oder meine Lieblingsseiten Wirtschaft und Ökologie…

…deren Zusammenhang keine andere Zeitung schon im Ressortnamen so deutlich macht…
…und den ich damals schmerzlich erfahren musste. Wie heftig zum Beispiel die Wirtschaft auf Veröffentlichungen Einfluss nimmt!

Was raten Sie der taz für die nächsten dreißig Jahre?
Sie sollte sich davor hüten, für irgendjemanden ein Sprachrohr zu sein. Das würde das Ende bedeuten.

Und was wünschen Sie ihr?
…, dass Sie sich bewahrt. Die taz hat massiv die Zeitungslandschaft verändert und genau das soll sie weitermachen!

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