vonClaudia Mussotter 01.11.2007

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991. Manos Recolector. Autor-Ana Callejas.jpgNur einmal im Jahr entfalten sie ihre ganze Pracht. Beim ersten Kälteeinbruch, Mitte/Ende Oktober, Anfang November tauchen sie auf, eine Blüte nach der anderen. Über Nacht, einfach so, bis sich ein lila Blumenmeer auf dem Feld ausbreitet. Dann sind die „Días del Manto“ gekommen, im Grunde Tage der Arbeit. Denn nur wenig Zeit bleibt, um die „rosas del azafrán“ zu ernten und ihnen ihren Schatz, den begehrten Safran, zu rauben.Imagen3.jpg
In den ersten Morgenstunden, bevor die Sonne aufgeht und die Blüten welken lässt, steht die ganze Familie, stehen Freunde und Bekannte, roseros und roseras, gebückt auf dem Safranfeld, um eine Safranrose nach der anderen an ihrem Blütenansatz abzupflücken. Sind die Körbe aus Weide oder Espartogras voll, werden sie nach Hause zur monda gebracht. Das bezeichnet das Herauslösen der roten, trompetenförmigen Narbenschenkel, des Safrans. Erfolgt dies zu spät, verliert er unweigerlich an Aroma.
Man nimmt die Blüte in die linke Hand, knipst unten am Ansatz mit dem Daumennagel den Stiel, an dem die Narbenschenkel hängen, ab und zupft diese mit den Fingern der rechten Hand heraus. Kürzt man sie zu weit oben, trennen sich die drei Safranfäden, zu weit unten bleiben Teile der gelben Staubgefäße hängen, die den Wert des Safrans mindern. Aber andererseits: Gewicht ist erwünscht. Jedes Gramm zählt, denn für ein Kilo Safran müssen zwischen 150.000 und 250.000 Blüten verabeitet werden. Von Hand.
Um dem Safran sein typisches Aroma zu geben, legt man die Blütennarben in wenige Zentimeter hohen Schichten in feine Metallsiebe oder Siebe aus Seide und röstet sie ganz sachte über einer Feuerstelle. Das erfordert besonders viel Erfahrung, denn vom Ergebnis hängt letztendlich die Qualität des Gewürzes ab.
Durch diese Prozedur wird den Safranfäden auch Feuchtigkeit entzogen, was das Gewicht nochmals reduziert. Die nun etwas fettigen, eingeschrumpelten Safranfäden sind nur noch ungefähr zwei Zentimeter lang, ihre Farbe ist von intensivem dunklem Rot, sie verströmen ein unvergleichliches Aroma. Von fünf Kilogramm „azafrán verde“, so nennt er sich im Rohzustand, bleibt am Ende ein Kilo gerösteter Safran übrig. Der Beste der Welt! Der unbedingt gegen Licht, Hitze und Feuchtigkeit geschützt aufbewahrt werden muss.5. Flores1. Autor-Ana Callejas.jpg
Die Ernte ist ein mühseliges Geschäft, das in La Mancha seit vielen Jahrhunderten immer gleich abläuft. Seit die Araber im achten bzw. neunten Jahrhundert die Hochebenen für ideal erachteten, um das „rote Gold“, den „záfaran“, zu kultivieren.
Safran war und ist das teuerste Gewürz. Für ein Pfund konnte man einst ein Pferd erstehen. Und weil er so wertvoll ist, wurde er auch zu allen Zeiten verfälscht. Was im Mittelalter drastische Strafen wie den Tod auf dem Scheiterhaufen oder das Abhacken von Fingern oder Händen bedeutete. Auch heute fälscht man munter und streckt das Gewürz aller Gewürze mit allem Möglichen von Paprika über Kurkuma, von Ringelblumen bis zu Sägespänen. Man beschwert die Fäden mit Öl, vermischt sie mit den Griffelteilen anderer Pflanzen oder täuscht durch andere organische oder anorganische Stoffe.
Am besten geht das Fälschen übrigens mit Safranpulver – von dem man deshalb grundsätzlich die Finger lassen sollte. Wie von jedem billigen Safran, wenn man Qualität möchte.
Der Crocus sativus L. wird auf allen Kontinenten außer Australien angebaut, auf den europäischen Markt kommt günstiger Safran aus Griechenland, Marokko und vor allem dem Iran – der Spanien inzwischen den Rang abgelaufen hat. Das hat verschiedene Gründe. Denn außer dass in Billiglohnländern günstiger produziert wird, kommen in La Mancha noch die fehlenden Arbeitskräfte aufgrund veränderter Familienstrukturen hinzu. Die Jungen sind aus den traditionellen Safrangegenden, Gebieten, in denen vorwiegend Landwirtschaft betrieben wird, in die Städte abgewandert. Zurück blieben viele ältere Menschen, die wegen des unrentablen Arbeitsaufwands einfach aufgeben.9993. Cedazo silla y cesta. Autor_Ana Callejas.jpg
Denn mit der Ernte und dem Verarbeiten der Safranblüten ist es nicht getan. Safran vermehrt sich nur über Zwiebeln, und die müssen gesetzt werden; im vierten Jahr ist der Boden erschöpft, ein anderes Feld muss bearbeitet werden…
Dazu kommt, dass der Safrananbau in La Mancha schon lange nur als Zubrot dient, als Mitgift für die Tochter, als Sparkasse für ein neues Auto, ein zusätzliches Stück Land und andere Bedürfnisse, die Hauptarbeit in der Landwirtschaft läuft weiter.
Seit etwa 15 Jahren fallen die Preise, das traditionelle Safrangebiet droht in Bedeutungslosigkeit zu versinken. Um dem zu begegnen, hat sich ein neuartiger Consejo de Regulador de la Denominación de Origen „Azafrán de la Mancha“ gebildet, eine unabhängige Vereinigung, die ab 1995 provisorisch agierte und seit Sommer 2001 den echten Safran aus La Mancha mit seinem Etikett zertifiziert, feste Preise für die Safranbauern garantiert und sich überhaupt um alle Belange in Sachen Safran kümmert.
Denn noch immer gibt es einige Händler, die schamlos billigen griechischen und iranischen Safran importieren, um ihn als spanischen deklariert weiterzuveräußern. Das bewegt sich laut Consejo Regulador zwischen 30.000 bis 40.000 Kilogramm. Was wundert. Denn dem stehen nur 3.000 Kilo Safran aus spanischer Produktion gegenüber. Umso wichtiger ist dieses Kontrollorgan, das sich um den Schutz, die Verbreitung, die Verteidigung und Vermarktung des manchegischen Safrans verdient macht. Laut seinen Angaben sind 99 Prozent des angeblich spanischen Safrans iranischer Herkunft.
Man unterscheidet zwei Sorten: elagierten Safran, das bedeutet Safran, der ausschließlich aus den getrockneten Blütennarben besteht, und naturellen Safran, dem noch Griffelteile anhaften und der deswegen weniger wertvoll ist.
Wie nun guten Safran erkennen? Man könnte zur Kontrolle beispielsweise etwas Safran in ein Glas mit warmem Wasser geben. Frische Narbenschenkel quellen auf und färben das Wasser gelb, alte dagen färben und quellen nicht.
3. Azafranal. Autor-Ana Callejas.jpgGuter Safran aus La Mancha ist flexibel, die Fädchen sind von lebhaftem, glänzendem Rot. Er ist sehr aromatisch, denn im Gegensatz zu anderen Sorten sind Safranal (verantwortlich für den Duft), Picrocrocin (ein Bitterstoff, der für den besonderen rauchigen, erdigen Geschmack sorgt) und Crocin (liefert die leuchtend gelbe Farbe) gut ausgewogen. Die Färbekraft wird in Einheiten ausgedrückt. Safran aus La Mancha besitzt mindestens 200 davon. Er kommt übrigens niemals gemahlen in den Handel.
Safran ist ein traditionelles Kuchengewürz und dient auch zum Färben von Speisen und Getränken. In Indien kommt Safran in zahlreiche Reisgerichte, Süßspeisen oder Eis und findet in der ayurvedischen Medizin und religiösen Riten Verwendung. In Saudi-Arabien wird authentischer Kaffee mit Kardamom und Safran gwürzt. Und was wäre eine Bouillabaisse, ein Mailänder Risotto ohne den Gelbmacher mit dem unverwechselbaren Aroma?
In Schweden herrscht der Brauch, am Tag der heiligen Lucia Safranbrot zu backen. Und in Spanien? Da gehört Safran in viele Nationalgerichte wie Paella, Fabada oder Pote Gallego. Nur darf man es mit der Menge nicht übertreiben, denn schnell kann das Gewürz mit dem starken Geschmack vorherrschen.
Safran kann auch mit einer Reihe vorzüglicher medizinischer Eigenschaften aufwarten, unter anderem stimuliert er den Appetit, begünstigt die Verdauung, hilft bei Husten und Bronchitis und soll das Herz stärken. Neuerdings spricht man gar von einem Potenzial, das Herz-Kreislauf-Krankheiten und Krebs entgegenwirkt. Und er soll fröhlich machen. Wenn das nichts ist!

Safran-Champignons
Für 2 Pers.: 1 Schalotte, 1 Knoblauchzehe, 2 EL Olivenöl, 2 Nelken, 1 EL Tomatenmark, 50 ml Weißwein, einige Safranfäden, Pfeffer, Salz, 150 g kleine Champignons
Knoblauchzehe und Schalotte schälen und fein hacken. In Olivenöl in einer Pfanne etwa zwei Minuten anschwitzen. Nelken und Tomatenmark zufügen. Mit Weißwein und 50 ml Wasser, das zuvor erhitzt wurde, um den Safran darin aufzulösen, ablöschen. Alles gut verrühren. Mit Salz und Pfeffer abschmecken. Zugedeckt 10 bis 12 Minuten köcheln lassen und ab und zu umrühren. In der Zwischenzeit die Champignons putzen, große Pilze halbieren. In die Sauce geben und 5 bis 6 Minuten bei geringer Hitze köcheln lassen.

Bon profit!

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