vonSchröder & Kalender 18.12.2010

taz Blogs


Willkommen auf der Blogplattform der taz-Community!

Mehr über diesen Blog

***
Es ist dunkel, wir sehen nicht, wie der Bär flattert.
***

Solche Rentier-Leuchtbilder sieht man seit Jahren allerorten auf Balkonen und hinter Stubenfenstern. Jetzt aber sind die Rentiere in Berlin zu künstlerischen Ehren gekommen, in der Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof stinkt es gegenwärtig wie im Zoo. Der Künstler Carsten Höller sucht in einer dreidimensionalen Versuchsanstalt nach dem geheimnisvollen Rauschmittel Soma.

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=KlMNTGR9W0o[/youtube]

Der Unterhaltungswert der Ausstellung ist enorm, noch nie haben wir in einer Kunstausstellung so viele begeisterte Kinder gesehen, man muss eben nur Kanarienvögel, 2 Mäusepaare und zwei Fliegen vereinzeln und ein paar Rentiere zeigen, da vergessen sie jede Soap. Für uns, von des Gedanken Blässe angekränkelte Erwachsene, stand fest, dass die Rentiere, Mäuse und Fliege der linken Abteilung von zu viel Fliegenpilz völlig bedröhnt waren. Die Rentiere lagen hyperventillierend im Sägemehl, die Mäuse ließen sich nicht blicken und die Fliege klebte starr an der Terrariumscheibe.

Auf der rechten Seite fraßen die Rentiere oder kämpften miteinander. Die weiße und die schwarze Maus huschten hin und her, sogar die Fliege flog ab und zu auf. Nur die Vögel, egal ob links oder rechts, waren unbeeindruckt vom Stoff der Fliegenpilze. Die Flugsaurier haben sich offenbar seit Jahrtrillionen ans Rauschgiftfressen gewöhnt.

So etwa schrieben wir es auch unserem Freund und Arcana-Experten Matthias Mala in München. Was er antwortete, wollen wir den Kunstexperten nicht vorenthalten: »Ja, ihr beiden Lieben, über Soma habe ich auch geforscht und geschrieben. Die Fliegenpilzlegende ist dabei die banalste und deswegen wahrscheinlich die unwahrscheinlichste. Soma wird bei den Hindi gleichgesetzt mit Amrita, Amrita ist die göttliche Variante, in etwa dem bekannten Ambrosia oder Manna der Antike entsprechend. Amrita ist ein Tropfen vom Schaum aus dem Milchozean der am Anfang der Welt durch die Bewegungen der Weltenschlange wogte. Also eine durch und durch vom Vögeln abgeleitete Allegorie. Es hat dann weitere Bedeutung im Kundalini-Mythos. Hier ist ein besonderer Speichelfluß gemeint, der sich bei aufsteigender Kundalini bemerkbar macht und aus der Tiefe des Rachenraums kühl und süß quillt, mit einhergehen Alleinsein-Visionen. Wir sind hier bereits bei der Fellatio-Allegorie. Soma ist die irdische Variante dieses allbeglückenden Göttertrankes. Und hier kommen dann verschiedene Drogen ins Spiel. Welcher Art die Ursprungsrezepturen waren ist unentschieden. Manche meinen Schlafmohn, andere meinen Fliegenpilz. Beim Mohn die weiße rauschhaltige Milch, beim Fliegenpilz das schneeweiße Fruchtfleisch. Ich denke, aber es war eher der Mohn, der als Basis für das Soma genommen wurde, denn die Fliegenpilzräusche sind selten so beglückend wie die Opiumträume. Klar, dass die Lappen eher auf Fliegenpilz abgefahren sind, weil der Schlafmohn bei ihnen nicht wurzelt. Aber wirklich spezielles wüsste der Dr. Christian Rätsch, der Drogen-Ethnologe aus Hamburg. Er ist nur so schwer zu interviewen, weil er stets ebenso breit wie Rentier, Maus und Fliege auf der linken Seite des „Hamburger Bahnhofs“ ist. Servus, und a Busserl von der Ruth, Matthias«

(CH / MM / BK /JS)

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/ein_anderes_weihnachten/

aktuell auf taz.de

kommentare