vonDaniel Erk 25.01.2009

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Herrje Hollywood, herrje FAZ! Schon recht, eine solche spannende Geschichte zu erzählen und vollkommen einerlei, ob das nun historisch korrekt ist, ob dieser Stauffenberg nun von einem heiligen oder heimlichen Deutschland in den Sekunden vor seiner Ermordung schwadronierte und Tom Cruise ist sowieso egal – aber dieser armselige, billige und reaktionäre Heldenkult um Claus Stauffenberg, diesen rechtsradikalen, vordemokratischen, nationalistischen, den Großteil seines Lebens auch nationalsozialistischen Militaristen und Spinner – dieser Heldenkult ist widerlich und unwürdig. Wie sich Frank Schirrmacher in der FAZ da freut, dass „es einen Widerstand gegen Hitler gab. Davon weiß jetzt auch ein 16 Jahre alter Schüler in Iowa oder Seoul.“

Was der Schüler in Iowa oder Seoul, im Gegensatz zu Schirrmacher, hoffentlich auch sieht, ist das schändliche Datum: 20. Juli 1944. Elf Jahre nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten. Fünf Jahre nach dem von Deutschland losgetretenen Zweiten Weltkrieg. Zweieinhalb Jahre nach der Wannseekonferenz. Man braucht nicht viel Verstand, um zu sehen, dass es sich bei Stauffenberg und den Seinigen nicht um „Helden des deutschen Widerstandes“ handelt, wie es reaktionäre Kräfte einem glauben machen wollen. Dieser blinde, dumme Heldenkult treibt derart abwegige Blüten dass eine Therese Wieland, Vertreterin der katholischen Kirche im SWR-Rundfunkrat angesichts einer Stauffenbergparodie von Oliver Pocher (die sicherlich nicht die intellektuellste gewesen sein wird) auf Spiegel Online frei von der Leber schwafeln darf: „Was da wieder gelaufen ist, ist unsagbar pietätlos und ehrabschneidend (…). In diesem Moment identifiziert man das doch nicht mit dem Schauspieler, sondern mit der historischen Figur. Und es ist nicht hinnehmbar, dass man den Helden des deutschen Widerstandes so ins Lächerliche zieht“.

Helden? Widerstand?

Wie Balsam lesen sich da Richard J. Evans‚ Worte im Titeltext des aktuellen SZ-Magazins:

„In den 1930ern war Stauffenberg zuerst begeistert von der geistigen Erneuerung, wie sie die Nationalsozialisten versprachen. Er unterstützte Hitler 1932 bei der Reichspräsidentenwahl und begrüßte seine Ernennung zum Reichskanzler: In der Nacht des 30. Januar 1933 nahm er an einer Straßendemonstration zur Feier des Ereignisses teil. Später stand er einem befreundeten Künstler für eine monumentale Soldatenstatue der Nationalsozialisten Modell.

Zwar trat er bei aller Begeisterung nie in die Partei ein – für ihn war die einzige Partei der Kreis um Stefan George –, doch er glaubte, die Nationalsozialisten führten eine Bewegung der nationalen Erneuerung an, die mit den schäbigen parlamentarischen Kompromissen der Weimarer Zeit aufräumen würde. Darüber hinaus war er auch der Meinung, dass eine Politik der Bereinigung der deutschen Rasse und des Ausmerzens jüdischer Einflüsse daraus ein entscheidender Teil dieser Erneuerung sein müsse.

Und obwohl er offene Gewalt gegen Juden ablehnte, protestierte er nur ein einziges Mal, nämlich als das vulgäre antisemitische Hetzblatt Der Stürmer schrieb, Stefan Georges Dichtung sei von ihrem Wesen her jüdisch und dadaistisch. Hitlers Erfolge bei der Revision des Versailler Vertrags blieben für Stauffenberg eine überragende Leistung.“

Angesichts dessen und vor allem angesichts der Tatsache, dass es gerade Herren wie Stauffenberg waren, die das Hitlerregime, den Holocaust und insbesondere den Zweiten Weltkrieg erst möglich gemacht und bis 10 Monate vor seinem Ende unterstützt haben, verbietet es sich, Stauffenberg und die Herren des 20. Juli als Helden zu verehren.

Wenn es in diesen Jahren in Deutschland einen Mann gab, der sich den Titel Held verdient hatte, dann war es Georg Elser. Davon aber schweigen Herr Schirrmacher, Frau Wieland und die bürgerliche Rechte. Hollywood, hilf.

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