vonDilek Zaptcioglu 04.08.2007

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„Wir“ und „ihr“ – so hatte ich vor Jahren einmal eine meiner Kolumnen betitelt. Es ging darin um unsinnige Lagerbildungen in der Gesellschaft.

Seit ein paar Tagen gibt es eine neue „Hürriyet“-Werbung im Fernsehen. Der türkische Filmregisseur Ferzan Özpetek, der in Italien großen Erfolg hat, hat sie gedreht.

In einer Wohnung ist der Tisch gedeckt. Ein junger Typ, offenbar der jüngere Sohn der Familie, schaut fern, trägt ein Nationaltrikot und schreit „Türkiye, Türkiye“ wie in einem Fußballspiel. Das Mädchen, seine ältere Schwester, findet das nicht komisch und sagt, der wäre wohl auf dem Primaten-Level der Evolution stehengeblieben. Sie streiten sich, da klingelt es an der Tür, ein leicht Älterer im grauen Anzug kommt herein, die Eltern begrüßen ihn, er umarmt seine Mutter, der Jüngste sagt: „Na, da kommt ja der weiße Türke unserer Familie, na, hast du heute gut an der Börse verdient?“ Seine Schwester sagt: „Was ist denn eigentlich aus deinen Idealen geworden, die du an der Uni hattest?“ Worauf der ältere Bruder, offenbar Börsenmakler, antwortet: „Ihr glaubt wohl, das Geldverdienen ist ein leichtes Spiel“. Der Streit geht von vorne los.

Und – da sagt plötzlich der Papa: „Hört auf zu streiten Kinder, der Tisch ist gedeckt!“

Alle setzen sich. Die gütige Mama schaut die Runde mit feuchten Augen an. Aus dem Off ertönt eine männliche Stimme:

„Auch wenn wir manchmal gänzlich anderer Meinung sind, so sind wir doch eine 70-Millionen-Familie, die an der selben Tafel sitzt und sich satt ißt.“

Na, das ist ja mal wieder ein richtig türkischer Werbefilm, oder?  

Ohne eine (männliche, tiefe) stimme aus dem Off können wir offenbar nicht leben.

 

 

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