vonKarim El-Gawhary 10.01.2011

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Foto. Hatem Reffaee

Plötzlich hatte ich inmitten der langen Schlangen, die sich beim Unabhängigkeitsreferendum mit Südsudanesen gebildet haben, um ihre Stimmen abzugeben, eine leibhafte Hollywood-Erscheinung. Da stand er unvermittelt  vor mir. Hier ist das komplette kurze Interview mit George Clooney, der als Wahlbeobachter nach Juba gekommen ist.

Sie engagieren sich seit längerem im Sudan. Was bedeutet dieser erste Tag des Unabhängigkeitsreferendums für Sie?

„Schau dir diese Schlagen an, diese Menschen haben Generationen, 55 Jahre lang, für ihre Unabhängigkeit gekämpft und heute werden sie darüber abstimmen. Ich fühle mich geehrt, hier ein  Zeuge zu sein.“

Bisher verläuft alles ruhig. Glauben Sie, dass es so weitergehen wird?

Das wird wahrscheinlich nicht so reibungslos weitergehen. Es gibt eine Menge Hindernisse auf dem Weg. Der größte Stolperstein in der nahen Zukunft ist die Kontroverse um die Grenzregion Abyei, die beide Seiten für sich beanspruchen. Aber man kann alle Hindernisse aus dem Weg räumen. Die Tatsache, dass sie dieses Referendum organisiert haben,  das hat ihnen niemand zugetraut, dass sie das bis zum Januar schaffen. Ich war vor 100 Tagen mit dem UN-Sicherheitsrat hier und ich habe mit jedem Einzelnen gesprochen. Sie alle haben gesagt, vergiss es, das schaffen die nie. Aber sie haben es geschafft. Das macht Hoffnung für die Zukunft.

Warum haben sie sich ausgerechnet den Sudan für Ihr Engagement ausgesucht?

Es begann mit Darfur. Dann habe ich mich mehr dem Konflikt zwischen Norden und Süden zugewendet, weil das am Ende auch die gleichen Akteure sind. Die Konflikt war immerhin die zweitgrößte militärische Auseinandersetzung seit dem 2. Weltkrieg, bevor sie 2005 den Friedensvertrag unterschrieben haben. Zweieinhalb Millionen Menschen sind in diesem Krieg umgekommen. Wenn wir ihnen den Rücken zuwenden, dann könnten sie wieder zu den Zeiten des Krieges zurückkehren und heute sind beide Seiten noch besser bewaffnet. Das würde noch blutiger. Mir scheint Prävention ist viel besser, als das Problem nach einem erneuten Ausbruch zu behandeln.

Besteht nicht die Gefahr, dass beide Seiten nach der Unabhängigkeit des Südsudan auf der jeweils anderen Seite zündeln werden und die jeweils anderen Oppositionsbewegungen unterstützen werden?

Das werden sie sicherlich tun. Die Unabhängigkeit zu erlangen, das läuft nie reibungslos. Es werden immer Fehler gemacht und es gibt immer Stolpersteine. Aber das hier ist ein erste unglaublicher Schritt. Ich hätte nie gedacht, dass so schnell so viel erreicht wird. Ich würde sagen, ich bin vorsichtig optimistisch.

Foto: Hatem Reffaee

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Aber hier geht es natürlich  nicht um Clooney, sondern um den Südsudan. Teilweise hatten sie sich bereits in den frühen Morgenstunden angestellt. Für viele war es ein sehr emotionaler Moment, nach all den Jahren des Konfliktes jetzt ihre Ziele per Abstimmung zu erreichen. Aber das sind auch Menschenschlangen voller Hoffnungen und Erwartungen. Heute sprechen sie von Unabhängigkeit und Freiheit, morgen werden sie von der südsudanesischen Regierung  Schulen, Straßen und Krankenhäuser fühlen. Wenn das nicht angemessen erfüllt wird, könnten die jetzige Partystimmung auch wieder in Enttäuschung umschlagen.

Foto: Karim El-Gawhary
Foto: Karim El-Gawhary

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Das ist das schönste Wahllokal, das ich jemals in all meinen Wahlberichterstattungen in vielen Teilen der Region gesehen habe. Hier wird, etwa eine halbe Autostunde von Juba entfernt, unter den Mangobäumen abgestimmt.

Foto: Karim El-Gawhary
Mein Kameramann Michael Atef bei der Arbeit unter dem Mangobaum

Meine letzten Sudan-Beiträge

Ein kurzer Fernsehbericht vom Referendum

Eine sehr kurze Live-Schaltung nach Juba

Ein Radiobericht im ORF Morgenjournal

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https://blogs.taz.de/eine_leibhaftige_hollywood-erscheinung_in_juba_mein_interview_mit_george_clooney/

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