von 06.07.2011

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Die Sackgasse
Als ich den kollabierten Drucker die Liebknecht Str. schräg über den Alex zum Saturn quer vor meinem Körper schleppe, finde ich die Sackkarre in meinem Kopf nicht, die hier hilfreich wäre. Sie steht nun in dem kleinen Zimmer meiner Nachbarin direkt unter meiner Schlafmatratze.
Doch wie soll, setzt Marx in der „Einleitung“ fort, der gläubige Deutsche durch radikale Philosophie zum Menschen befreit werden, wenn seine wirklichen Bedürfnisse nicht radikal sind? Wenn – anders als der Drang zum freien Glauben– der äußere Drang zum freien Bürger fehlt? Wenn der transformierte Protestant nicht weiter protestiert und wenn sein freier, Glaube die weltliche Unfreiheit verdeckt und verklärt? Wenn diese Verklärung – auch mangels weltlicher Bildung – über ihn selbst hinaus seine Gesellschaft und deren Staat in die Illusion vom Verfassungsstaat stellt, ohne dass da eine wirkliche Verfassung sein muss? Wenn schließlich der jeweilige Monarch über allem überzeugend den Mönch, den Bürger, den Parlamentspräsidenten und die Figuren der ganzen europäischen Moderne spielt, ohne dass da ein wirkliches modernes, europäisches Parlament sein muss?

Die Idee als Teil des Gegenteils
Das können nicht nur die Deutschen und nicht nur und nicht nur die Religionen, scheint es mir. Die Wirklichkeit so lange als möglich durch die Illusion scheint das Überleben in ihr ebenso zu fordern wie die Idee ihrer Veränderung zu fördern. Die religiöse, romantische, psychologische Selbst- und Fremdillusionierung als der Idee ist zudem wachsend exponierter Teil eben dieser Realität, die sie überdeckt und verklärt. Das ist in 2011 der Sache nach nicht anders als 1843 und der Form nach unendlich perfekter. Um in dieser Welt unbewusst leben zu können, müssen wir außer ihr leben. Je mehr wir außer ihr sind, desto unbewusster sind wir aber auch in ihr- und desto ferner der Marxschen : unsere pfäffische, illusorische Natur zu wandeln. Diese Paradoxie lässt damals wie heute die Wandlung unmöglich erscheinen. Der Berg, von dem Mensch springen soll, ist ein Loch in der Landschaft.

Die politische Sackgasse: Avantgarde
Aber nicht die radikale deutsche Revolution, behauptet Marx nun im Salto, ist eine utopische Illusion, sondern die politische Revolution, „welche die Pfeiler des Hauses stehenlässt“. Sie beruhe auf Vorstellung und Praxis einer Avantgarde, die „als eine bestimmte Klasse von ihrer besonderen Situation aus die allgemeine Emanzipation der Gesellschaft unternimmt. Diese Klasse befreit die gesamte Gesellschaft aber nur unter der Voraussetzung, dass die ganze Gesellschaft sich in der Situation dieser Klasse befindet – also zum Beispiel Geld und Bildung besitzt oder beliebig erwerben kann“ [MEW 1, 388]
Da haben wir also als Bedingung der Lösung, was durch die Lösung erst erreicht werden soll. Der Komputer zeigt in der Calc- Tabelle einen Zirkelschluss an. Marx nervt bei der 13. Pirouette – aber das ist wohl so im Suchgang. Draußen stürzt ein sonntäglicher Starkregen herab. Dahinter ist der Himmel blau. „Strahlend wie ein Stern, Lächeln für immer, sinken in den Traum hinterm Gesicht, binden Hoffnung fest, ohne ein Schimmer, bleibt der Horizont, wer ihn verlässt.“ [nach Phuddys und Lindenberg]

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