vonKarim El-Gawhary 01.07.2010

taz Blogs

110 Autor*innen | 60 Blogs
Willkommen auf der Blogplattform der taz

Mehr über diesen Blog

Die Scheidungsrate in Ägypten liegt mit 40 Prozent auf deutschem Niveau, doch die Statistik weist eine Besonderheit auf: Viele Ehen enden schon im ersten Jahr. Sich gründlich kennenzulernen ist oft schwierig, in einem Land, in dem sogar das Küssen in der Öffentlichkeit verboten ist. Das, gekoppelt mit dem großen gesellschaftlichen Druck, „unter die Haube“ zukommen, hat oft fatale Folgen.

Eine Kairoer Eheberaterin fasst das folgendermaßen zusammen.

“Eine junge Frau trifft einen Mann, er ist sympathisch, führt sie aus, also denkt sie: Okay, den kann ich heiraten. Sie machen eine riesige Hochzeit, alle Freundinnen sind begeistert, sie ist ganz stolz auf ihren Ring – doch dann schließt sich die Tür hinter ihr und sie fragt sich: Wer ist das eigentlich?”

Meine ARD-Rundfunk-Kollegin Esther Saoub beweist mit ihrem Stück zum Thema “Scheidung in Ägypten” wieder einmal, warum das Radio ein großartiges Medium ist, um kurz einmal durch das Schlüsselloch traditioneller islamischer Gesellschaften zu gucken.

Hier ist ihr Beitrag
, eine von vielen wunderschönen Rundfunkreportagen, die sie in den letzten Jahren in Kairo produziert hat.

Übrigens steigt die Scheidungsrate überall in der arabischen Welt. Ägypten steht  an der Spitze. Dort wird alle sechs Minuten ein Paar geschieden, gefolgt von Jordanien, Saudi Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Kuwait, Bahrain, Katar und Marokko.

Mohammed Suleiman Al Faraj, islamischer Berater im Familiengericht von Abu Dhabi gibt die wichtigsten Scheidungsgründe an: An erster Stelle steht interessanterweise die ökonomische Verschuldung der Paare. Weitere Gründe wieder getrennte Wege zu gehen, sind die schlechte Behandlung des Ehepartners, häusliche Gewalt und die Einmischung der Familien in das private Eheleben. Letzeres hat sich ganz besonders verschärft, weil viele Paare sich keine eigene Wohnung leisten können und gezwungen sind, bei der Familie eines der Ehepartner zu leben.

Sicherlich hat die steigende Scheidungsrate aber auch mit der sich verändernden Rolle der Frau in der arabischen Welt zu tun. Sie wird wirtschaftlich unabhängiger und fügt sich oft nicht mehr in ihre traditionellen Rolle. Ausserdem hat sich in vielen arabischen Ländern das Personenstandsrecht in den letzten Jahren geändert und es ist für die Frau schlichtweg einfacher geworden, die Scheidung einzureichen.

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/einst_tabu_heute_normal_alle_6_minuten_wird_in_aegypten_ein_paar_geschieden/

aktuell auf taz.de

kommentare