von 18.01.2011

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Das Projekt Zero-Emission-Park macht Gewerbegebiete nachhaltiger (Foto: Laura Bernschein/Lizenz: by)

Das seit Januar 2008 laufende Projekt „Zero-Emission-Park“ ist zu einem Abschluss gekommen. Dabei ging es um nachhaltige Gewerbegebiete, ein Konzept, das sich der Ökologie, der Ökonomie und dem Sozialen verschrieben hat. Michael von Hauff, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Technischen Universität Kaiserslautern und Projektleiter zieht ein Resümee über das Projekt.

Wie kamen sie auf das Thema der nachhaltigen Gewerbegebiete?
Es gibt in Deutschland eine ganze Reihe von Unternehmen, die so etwas wie ein Nachhaltigkeitsmanagement für sich entdeckt haben. Es reicht aber nicht aus, wenn einzelne Unternehmen aktiv werden. Die vielen einzelnen Unternehmen eines Gewerbegebiets müssen zusammenarbeiten, das ist einfach effektiver.

Sie sind schon viele Jahre mit diesem Thema beschäftigt. Gab es dennoch Überraschendes?
Ja, die GeschäftsführerInnen und ManagerInnen der einzelnen Unternehmen eines Gewerbegebietes hatten bis zum Projektstart noch überhaupt keinen Kontakt untereinander. Kommunikation fand im Grunde nicht statt.

Haben alle Unternehmen eines Gewerbegebietes bereitwillig mitgemacht?
Die Projektleitung hat keinen Druck auf die Unternehmen ausgeübt, aber einen gewissen sozialen Druck gab es schon. Über das Projekt wurde in den Medien berichtet, es gab Veranstaltungen und Ähnliches. Sie können sich sicherlich vorstellen, dass Unternehmen, die sich an Projekten wie diesen nicht beteiligen, von ihrem Umfeld nicht unbedingt positiv wahrgenommen werden.

Welchen Nutzen hat das Konzept der nachhaltigen Gewerbegebiete?

Es soll ökologische, ökonomische und soziale Verbesserungen bringen. Das heißt, Umweltbelastungen wie der CO2-Ausstoß sollen reduziert, Energien besser genutzt und Arbeitsbedingungen verbessert werden.

Wie kann der CO2-Ausstoß verringert werden?

Wir haben festgestellt, dass viele ArbeitnehmerInnen mit dem Auto zur Arbeit fahren. Auf das Jahr und für alle ArbeitnehmerInnen eines Gewerbegebietes gerechnet sind das ungefähr 25 Millionen Kilometer, nur zur Arbeit und wieder zurück. Das wiederum haben wir auf die CO2-Emission umgerechnet und festgestellt, dass es eine wahnsinnige Belastung ist. Fahrgemeinschaften sind eine Alternative, allerdings auch eine individuelle Entscheidung. Also haben wir mit der Kommune gesprochen und gesagt, die Anbindung an das städtische Verkehrsnetz funktioniert offensichtlich nicht optimal und muss verbessert werden. Das ist auch geschehen und ein großer Erfolg des Projektes.

Und wie können Energien besser genutzt werden?
Das Gewerbegebiet Kaiserslautern ist relativ neu, erst zwischen sieben und acht Jahren alt. Dort gibt es die Großbäckerei „Barbarossa“, die enorm viel Warmluft entwickelt, die bisher einfach durch die Schornsteine abgelassen wurde. Jetzt wird die Warmluft sozusagen aufgefangen und den anderen Unternehmen als Heizungsluft zur Verfügung gestellt. Wenn ein solches gemeinsames Energiesystem entsteht, dann kann man mit Sicherheit davon ausgehen, dass die Energie, die selbst produziert wird, kostengünstiger ist als die Energie, die von den öffentlichen oder privaten Energieunternehmen geliefert wird. Das bringt enorme wirtschaftliche Vorteile.

Wirtschaftliche Vorteile sind gut für die Unternehmen. Was ist mit Vorteilen für die Arbeitnehmer?

Für die Unternehmen stellt sich mehr und mehr die Frage, wie man Frauen und Mütter wieder ins Berufsleben zurückholt, die gerne wieder arbeiten möchten, aber die Doppelbelastung Familie und Beruf nicht unter einen Hut bekommen. Im Gewerbegebiet Bottrop wurde zum Beispiel eine Kinderbetreuung aufgebaut und zwar praktisch rund um die Uhr.

Was hat Sie an dem Thema Nachhaltigkeit so gefesselt?

Was mich persönlich sehr fasziniert ist, dass es darum geht, die wirtschaftliche, die ökologische und die soziale Dimension zusammenzuführen. In unserer Gesellschaft wird traditionell die wirtschaftliche Dimension in den Mittelpunkt gestellt und alles andere dem untergeordnet.

Sie sind viel in Asien unterwegs und halten dort auch Vorträge zum Thema Nachhaltigkeit. Wie gehen diese Länder mit dem Thema um?
Länder wie Indien und China erkennen langsam die Notwendigkeit. China hat zum Beispiel sehr hohe Wachstumsraten: über 10%. Indien hat über 8% Wachstum. Das ist auf der einen Seite enorm viel Wirtschaftswachstum, gleichzeitig verschlechtert sich aber die Umweltsituation dramatisch. Vor allem die Luftbelastung, aber auch der Wasserverbrauch und die Wasserverschmutzung nehmen in den großen Städten stark zu. Indien hat heute schon ein großes Wasserproblem.

Wie wirken sich diese Probleme auf die Gesellschaft aus?
In Indien hat man bereits schon heute gesellschaftliche Spannungen, die auch mit Gewalt ausgetragen werden und wenn wir auf die Bundesrepublik Deutschland schauen, gibt es bereits viele soziale Konflikte wie beispielsweise die Einkommensverteilung, die zunehmend ungerechter wird.

Was können wir tun?
Wichtig ist jetzt vor allem, dass Schwellenländer wie Indien und China nicht die gleichen Fehler machen, die die Industrieländer gemacht haben – nämlich wirtschaftliches Wachstum über alles zu stellen. In China wird so langsam erkannt, dass die reine Konzentration auf das Wirtschaftswachstum und das Streben nach hohen Wachstumsraten die Menschheit nicht glücklich machen wird. Es geht um Lebensqualität und dazu gehören noch ganz viele andere Dinge, wie z.B. soziale Beziehungen.

Wie nachhaltig geht es für Sie weiter?
Das Thema Nachhaltigkeit geht für mich natürlich weiter. Wenn man 15 Jahre ständig an so einem Thema arbeitet, wünscht man sich natürlich, dass sich die eigenen Anstrengungen auch mal in die Praxis umsetzen lassen.
Das Projekt „Zero-Emission-Park“ war in Deutschland etwas ganz Neues gewesen und hat so viel Aufmerksamkeit gefunden, dass ich jetzt auch ein Folgeprojekt angeboten bekommen habe. Es ist für Rheinland-Pfalz gedacht, das eine eigene Nachhaltigkeitsstrategie hat. So etwas sollte für das gesamte Bundesgebiet gelten.

Das Interview führte Hendrikje Borschke

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