von 18.04.2009

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Je länger dieser Vortrag dauert, desto stärker erfasst eine gewisse Beklemmung den Saal – mein Sitznachbar seufzt gleich mehrmals auf. Das „1×1 des Klimawandels“, das hat Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung versprochen dem vollbesetzten Saal beizubringen. Anschaulich erläutert der Klimaforscher, Mitglied des Intergovernmental Panel on Climate Change der UN, kurz IPCC, was sich derzeit alles tut im Weltklima. Und was noch auf uns zu kommt. Erwärmung der Erdtemperatur und der Ozeane, CO₂-Austoß,  Gletscherschmelze, Anstieg des Meeresspiegels. Wer Bedarf an konkreten Zahlen und Zukunftsszenarien hat, sitzt in der Veranstaltung, moderiert von taz-Redakteur Nick Reimer, genau richtig. Auch der Beamer, der sich erstaunlich rhythmisch immer wieder von selbst ausschaltet – hat er die Zeichen der Energiesparzeit erkannt? – kann Rahmstorf bei seinem Parforceritt durch die Klima-Daten nicht aufhalten.

Mittlerweile liegen die Werte der CO₂-Konzentration auf der Erde um ein Drittel höher als in den letzten 800.000 Jahren Erdgeschichte und seit  1900 hat die globale Erdtemperatur um 0,8 Grad Celsius zugenommen. Die Meeresspiegel sind seit 1880 um 20 Zentimeter angestiegen, derzeit sind es jährlich 3,4 mm, die sie höher klettern. Der Anstieg schreitet schneller voran, als alle Klimaforscher bis vor kurzem vorher gesagt haben. Und dann sind da noch die abschmelzenden Kontinentaleismassen, deren Verhalten nicht so einfach in die Zukunft zu projezieren ist. Klar scheint, steigt die globale Erdtemperatur von derzeit 0,8 erhöhten Grad auf 3 an, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass das grönländische Eisschild abschmilzt. Sieben Meter höher könnte uns das Meer dann auf die Pelle rücken. Drei Grad gelten auch als die magische Grenze, um sich nicht mit Rückkopplungseffekten wie einem Auftauen der Permafrostböden und dem Entweichen des darin gelagerten Methans konfrontiert zu sehen. Also gilt es, so die Aussagen der Klimaforscher, die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius zu beschränken. Auch die Politik hat sich diese Ziffer zu eigen gemacht. Aber: das würde bedeuten, die CO₂-Emission bis 2050 um mindestens 50 Prozent zu halbieren, „eher mehr“, so Rahmstorf. Um unter einer Erderwärmung von zwei Grad Celsius zu bleiben, könnten wir es uns noch maximal leisten, bis 2050 700 Milliarden Tonnen CO₂ auszustoßen. Wird allerdings weiter so hemmungslos CO₂ in die Luft geblasen wie heute, haben wir diese Grenze schon 2020 erreicht. „Wir haben nur einen Versuch, die Erderwärmung zu stoppen“ ist Rahmstorfs Fazit, „jegliche Erderwärmung ist irreversibel und zieht einen Rattenschwanz an Langzeitwirkungen nach sich“.

Das „wie soll das zu schaffen sein“ schwebt im Raum.  „Gibt es positive Ansätze?“ ist so auch eine der ersten Fragen von taz-Redakteur Reimer. Rahmstorf entpuppt sich als vorsichtiger Klimaoptimist. Auf dem Markt der erneuerbaren Energien seien die Entwicklungen positiver als gedacht, Europa könne sich in Zukunft ohne Probleme zu 100 Prozent aus enerneuerbaren Energien versorgen, bei gleichbleibenden Strompreisen. Auch von den Verhandlungen um ein Kyoto-Folgeabkommen im Dezember in Kopenhagen erwartet er positive Weichenstellungen.  Dann hört der Optimismus aber auch schon wieder auf. Wurden die Klimaforscher zum Beispiel bei der Gestaltung des Konjunkturpakets von der Bundesregierung einbezogen? Fehlanzeige. „Da herrscht immer noch ziemliches Schubladendenken vor“, so Rahmstorf, der die Bundesregierung mit anderen Wissenschaftlerin in Klimafragen berät. Drum will er auch auf die Frage des Moderators, welches Zeugnis er der Kanzlerin in der Klimafrage ausstellen würde, lieber nicht antworten. „Da passe ich“, sagt er charmant lächelnd. Klartext gibt es dagegen zu den Wirtschaftslobbyisten, zum Beispiel Exxon (Marken: Esso, Mobil), und ihre Rolle in der Klimadebatte. „Die Internetforen und Kommentare sind voll von Leuten, die in Klimafragen Unsinn reden, da schaut man besser gar nicht rein. „Auch die Rentner gegen Windräder sind sehr aktiv, die haben zu viel Zeit“, so Rahmstorf auf die Frage, ob die Ergebnisse der Klimaforscher überhaupt noch ernsthaft angezweifelt werden.

Dann darf das Publikum ran. Passivhäuser und energieeffiziente Wärmepumpen werden erwähnt.  Richtig in Fahrt kommt die Debatte, als es um die Frage geht, wie der richtige Weg zum richtigen Klima aussieht.  Die kurzfristigen Fronten verlaufen zwischen denjenigen, die auf individuelle Verantwortung und eigenständiges Handeln pochen und denjenigen, die darauf drängen, es komme auf eine kollektive, global gestaltete, radikale Steuerung der Politik an. Die Mehrheit scheint sich einig, es geht darum, die Verteilungsfrage zu stellen und radikal in Besitzstände einzugreifen. „Und wo ist hier die Linke?“ fragt Moderator Reimer zu recht. Am Ende will aber auch niemand die beiden Positionen als unversöhnlich verstanden wissen. Auf beides komme es an.

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