Letztens hatte ich wieder einen meiner gepflegten Herrenabende zu viert, mit einem General a.D. und einem Generalmajor a.D., beide von der Bundeswehr, und einem Offizier a.D. von der NVA. Solche Leute sind meist sehr gebildet, und sollten es auch, bei ihrer Verantwortung für Millionen Menschenleben. So morgens um halb vier kam das Gespräch sogar auf letzte Dinge – Gott, Universum, Untergang der Menschheit und so weiter – und ich sagte, das Universum sei dem lieben Gott ganz egal. Er sei nur an der Menschheit interessiert, und die würde auch nicht untergehen.
„Ach was, es gibt so viele Milliarden andere Galaxien, da wird es bestimmt noch ganz andere Lebewesen geben!“ rief der Generalmajor a.D. von der Bundeswehr. Es war ein Einwand, den ich zuletzt im Alter von zehn Jahren gehört hatte. Seitdem hatte mich das Thema nicht mehr interessiert. Ich blieb ruhig:
„Herr General, es gibt nur uns. Seien Sie sich da sicher.“
„Wir haben Raketen, die können jetzt schon… und in zehn Jahren, in hundert Jahren, wer weiß… und sie entdecken doch immer wieder völlig neue Milchstraßen…“
„Das will Gott aber gar nicht wissen! Was meinen Sie, was er sagt, wenn ihm die Engel dreizehn Trilliarden neue Galaxien melden, die entstanden sind? Er stöhnt: ‚Ist mir wurst, ich will wissen, was meine lieben MENSCHEN in den letzten 24 Stunden neues ausgebrütet haben, insbesondere die Philosophen und Schriftsteller!“
„Ach!“
„Ja, natürlich! Er fragt, ob Peter Handke endlich wieder was Neues draußen hat!“
„Warum denn gerade das, äh, DEN?! Handke? Bestimmt will Gott – sollte es ihn geben, was ich nicht glaube – lieber wissen, ob in Ruanda gerade ein neuer Genozid im Gang ist, oder ob die Wale weiter auf gotteslästerliche Weise gefangen und…“
„Nein, nein, stop, ich weiß, was Sie sagen wollen, aber so ist es nicht. Ihm geht es um die geistigen Prozesse, glauben Sie wenigstens mir. Die Wale interessieren Gott nicht. Er will Leute haben, die irgendwann auf Augenhöhe mit ihm sind. Intellektuelle im besten Fall.“
„Aber es könnte doch sein, daß auch auf einem ganz anderen Stern, den wir noch gar nicht kennen, sozusagen VIERZEHN Trilliarden Milchstraßen entfernt, ebenfalls ein Schriftsteller sitzt, ein anderer Handke, ein Hans-Magnus Enzensberger, der…“
„Bullshit, General, da sind nur unbelebte Geröllhalden, sturzlangweilig wie die übrigen Steinhaufen da im Himmel. Den Handke haben wir nur hier. Und den Enzensberger erst recht!“
„Woher wollen Sie das wissen, also daß nicht…“
„Weil Gottes Sohn hierher geschickt wurde und nicht anderswo hin.“
„Äh, und das, das haben Sie als belastbare Information?“
„Roger. Steht ja schon in der Bibel.“
Die Generäle schlugen sich krachend auf die Schenkel, hielten das für einen dollen Scherz.
„Ha ha ha ha ha, Lottmännchen, Sie sind richtig!“
Die Gläser wurden von der verhuschten Frau des Generalmajors a.D., die sich im Hintergrund hielt, nachgeschenkt, und man stieß lachend und glucksend „auf den obersten Befehlshaber da oben“ an. Wie gesagt, es war halb vier Uhr nachts. Und so richtig gebildet waren sie halt doch nicht, die Militärs.
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