vonKarim El-Gawhary 13.06.2011

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Die arabische Welt ist in den letzten Monaten um ein paar Revolutionen reicher geworden, jetzt verliert sie einen ihrer besten Auslandskorrespondenten. Die ARD-Rundfunk Kollegin Esther Saoub kehrt turnusgemäß zum SWR nach Stuttgart zurück.

Kollegin Saoub kennt die arabische Welt nicht als Berichtsobjekt, sondern sie kennt die Menschen und ihre privaten Träume, Hoffnungen und Ängste. Ihre feinfühligen oft thematisch ungewöhnlichen Beiträge waren stets etwas für Feinschmecker. Sei es der Bericht vom Frauenstrand am ägyptischen Mittelmeer, die Reportage vom Straßenjungen in Khartoum, die Glosse „Richtig gewickelt“ über Kairos Kopftuchmode oder die Geschichte mit dem Titel „Wenn ich schreibe, weiß ich, dass ich nicht verrückt bin“, die die Gedanken einer saudischen Bloggerin einem deutschen Publikum eröffnet.

Das entscheidende Merkmal, das von der Vielzahl ihrer deutschen Kollegen abhebt: die mit einem Syrer verheirate 40jährige Mutter von zwei Töchtern spricht nicht nur, sie denkt und träumt wahrscheinlich auch auf Arabisch.

Während des Aufstandes gegen Mubarak sah sie am 26. Januar plötzlich vor ihrem Büro Rauch aufsteigen, sagte kurzerhand einen bereits ausgemachten Radiokommentar ab und ging mit ihrem Aufnahmegerät nach draußen. Als ein Kollege aus dem Studio kurz darauf anrief, um nachzufragen, ob alles in Ordnung sei, meinte Esther Saoub nur, sie müsse sich in Sicherheit bringen. Dabei vergaß sie das Handy auszuschalten, im Hintergrund waren weiter Schüsse zu hören. Eine Weile später meldete sie sich wieder. „Es waren die längsten Minuten meines Lebens“, blickt der besorgte Rundfunkkollege heute zurück. Kollegin Saoub lacht, wenn sie die Geschichte erzählt.

Eine  herausragende, wenn nicht gar die brillianteste Reportage aus den Zeiten der ägyptischen Revolution, die sie zusammen mit ihrem Kollegen Martin Durm produziert hat.  Für mich ist dieses Feature mehr als preisverdächtig. Aber ich sitze leider in keiner Jury, noch sitze ich in irgendeinem ARD-Gremium, das den Beitrag nominieren könnte. Leider …

Hier ist der Link zu: Tahrir – Befreiung: Ägypter erobern ihr Land zurück

Und wer immer noch nicht genug von ihr hat, der kann sie hier noch einmal in einem lange lockeren Radio-Gespräch hören, in dem man einfach viel über das Leben in Kairo und Ägypten erfährt. Dinge, die in keiner politischen Analyse und in keinem Reiseführer stehen. Die Frau setzt sich einfach ans Mikrophon und erzählt und erzählt …und fesselt die Zuhörer.

in SWR1 Weitwinkel  Hier ist der Link.

Hier sind ihre letzten beiden Rundfunkstücke aus dem Studio Kairo.  Auch sie  machen deutlich, dass dem deutschsprachigen Journalismus in  Ägypten ein Stück Kreativität abhanden geht.

Esther Saoub räumt auf

und

Der liebgewonnene Lärm – akustischer Abschied von Kairo

Und das ist meine eigene, leider stark gekürzte, Zeitungs-Abschieds-Hommage an sie.

Ich habe in den letzten zwei Jahrzehnten meiner Korrespondenten-Zeit in Kairo viele deutsche Journalisten kommen und gehen sehen –  es waren einige gute dabei  –  Esther Saoub war „simply the best“.

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https://blogs.taz.de/esther_von_arabien_geht_-_ein_grosser_verlust_fuer_kairo_und_fuer_die_ard/

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