vonDetlef Guertler 24.01.2009

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Es braut sich wieder etwas zusammen auf den Finanzmärkten. Nicht das nun fast schon alltägliche Katastrophisieren, sondern etwas GROSSES. Dieses Mal scheint Großbritannien dran zu sein, das bislang aufgrund des wohl klügsten Zentralbankers der Welt, Mervyn King, den Ton bei den Rettungsmaßnahmen angegeben hat. Aber wenn zum Kollaps von Finanz- und Immobilienmärkten auch noch ein Einbruch im Rest der Wirtschaft kommt, wird es für die zwar seit Jahrhunderten krisenerprobten, aber auch seit Jahrzehnten überschuldeten Briten eng: “SERIOUSLY ALARMED” überschreibt Ambrose Evans-Pritchard seinen jüngsten Blog-Eintrag, und lässt gleich mehrfach ihm ansonsten völlig fremde panische Untertöne lesen:

For the first time since this crisis began eighteen months ago, I am seriously worried that British government is losing control.

The danger is blindingly obvious. The $4.4 trillion of foreign liabilities accumulated by UK banks are twice the size of the British economy. UK foreign reserves are virtually nothing at $60.6bn.

England has not defaulted since the Middle Ages. There is a real risk it may do so now.

Evans-Pritchards Sorge entsteht aus einem Dilemma: Wenn der britische Staat seine Banken durch Verstaatlichung rettet, gefährdet er seine eigene Existenz.  Rettet er sie hingegen nicht, sondern lässt sie wie jüngst Island seine Großbanken, gegen die Wand fahren, zerstört er damit das gesamte Finanzsystem:

Reykjavik refused to honour the foreign debts of its buccaneering banks. It let them default, parking the losses in Resolution Committees. Small islands can do that. Iceland has fish instead, and lots of metals. Britain cannot follow suit. The debts are too big. If London takes such disastrous action it will set off global panic and lead to an asset death spiral, drawing the entire world into deep depression.

Hie Skylla, da Charybdis: Viel Spaß beim Versuch, sich mit “ein bisschen retten” durch die Monster durchzulavieren.

Ein möglicher Ausweg, der allerdings Evans-Pritchard überhaupt nicht schmecken dürfte: Abschied vom Pfund, Eintritt in die Eurozone. Durch die Abwertung der vergangenen Monate ist das Pfund zumindest seine skandalöse Überbewertung los geworden, ein 1:1-Umtausch wäre durchaus möglich. Ich habe zwar eigentlich für das erste Halbjahr 2009 “nur” die Abschaffung der kollabierenden osteuropäischen Währungen und deren Aufgehen in der Euro-Zone prognostiziert, aber das britische Pfund kann natürlich gerne mit dabei sein.

Durch eine solche Erweiterung des Euro-Raums würde die Einrichtung einer bislang von allen Euro-Staaten heftig abgelehnten Institution notwendig: eines Europäischen Währungsfonds (EWF), der Strukturanpassungskredite mit hässlichen Auflagen verbindet. Vor ziemlich genau einem halben Jahr hatte ich eine solche Institution schon mal halbsatirisch vorgeschlagen, damals angeregt von einer ähnlich gestrickten Kolumne von Wolfgang Münchau.

Gerade sechs Monate her, aber ganz andere Zeiten. Sogar der stets krisige Münchau meinte damals, dass die Eurozone eigentlich ganz gut dastünde:

Overall, the eurozone economy is in reasonable shape. The latest indicators point towards a slowing in economic growth but not a recession. The European Central Bank is probably a touch too optimistic, as its own forecast has not yet fully taken account of the seriousness of the US downturn. But there are some reasons for guarded optimism. Most of the eurozone does not have a house price problem. Corporate and personal balance sheets are in good shape and credit to the private sector continues to grow at double-digit rates. This does not usually happen when you are about to hit a deflationary slump.

Wie gesagt, andere Zeiten. Deshalb können wir getrost direkt zu seinem EWF-Vorschlag kommen, den Münchau explizit nur zur Abwendung noch größerer Katastrophen für durchsetzbar hielt:

Eurozone finance ministers – the so-called eurogroup – are a complacent bunch. They never do anything until it is absolutely necessary. But they will act eventually. I am relatively optimistic that they will always be able to ward off the worst-case scenario, one that still excites some commentators: the threat of a eurozone break-up. So what actions would be needed? In the very short run, a transfer mechanism to provide help for countries in severe distress. Of course, any transfers would have to come with IMF-style conditions attached. As a price for an increase in intra-eurozone solidarity, the other member states would almost certainly demand that the beneficiaries end the silly policies that got them into the mess in the first place.

Wenn uns jetzt wider mein und Evans-Pritchards Bauchgefühl doch nicht ganz Großbritannien auf die Füße fällt, haben wir noch zwei Monate länger Zeit, bis die nächste Katastrophe anrauscht, die mit einem EWF abgebogen werden müsste: der Kollaps des spanischen Finanzsystems. Eine kleine Änderung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der EZB, die zum 1. März in Kraft treten wird, zieht nämlich (endlich) den spanischen Banken die Füße weg – und der gerade runtergestufte spanische Staat wird das Loch nicht stopfen können.

Also Leute: Anschnallen, auf Rettung und einen EWF hoffen!

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