von Christian Dombrowski:
Seit einem guten halben Jahr bin ich bei Facebook. Ich tummle mich dort mit unregelmäßiger Regelmäßigkeit. Manchmal stelle ich Fotos ein. Manchmal einen Tagebucheintrag. Manchmal ein dummes kleines Gedicht. Oder ich kommentiere die kleinen Gedichte und die Fotos meiner Freunde.
Ich habe ungefähr 30 Freunde. Das ist nicht viel. Der Bruder meiner Frau, der vielberufene Alexander, ist ungefähr ebenso lang bei Facebook wie ich und hat bereits 3.290 Freunde. Ich habe eben noch einmal nachgeschaut: 3.290! Ich stelle mir vor, dass Alexander täglich viele Stunden damit zubringt, Freundschaftsanfragen zu stellen und zu beantworten. Ich weiß nicht genau, was ihm das gibt; aber die Menschen sind unterschiedlich.
Facebook bietet viel Überraschendes. Als ich in meinem Profil vermerken wollte, dass ich verheiratet bin, und auf den entsprechenden Link geklickt habe – was hat mir das System geantwortet? „Wir werden Tamara Spitzing benachrichtigen, welche/r dann bestätigen muss, dass ihr eine Beziehung führt.“ Na, hoffentlich … Oder: Eine Griechin schickt mir ihre Freundschaftsanfrage – ich habe die Frau nie gesehen und kann mich mit ihr auch nicht verständigen, da sie bloß Griechisch spricht. Was in aller Welt führt sie zu mir? (Tamara vermutet: „Der gefällt dein Bild.“) Oder: Eine Heilpraktikerin kontaktiert mich, die ich vor Jahren einmal bei einer Vernissage kennen gelernt habe. Ich freue mich wirklich, dass sie sich an mich erinnert, bin aber zugleich auch ein bisschen erstaunt… Oder: Ich verlinke mich mit Bert Bresgen, meinem Blutsbruder seit Kindertagen, und Facebook ruft fröhlich in die Welt hinein: „Christian und Bert sind jetzt Freunde.“ „Jetzt“ – das ist gut!
Bemerkenswert, wie Facebook das Wort „Freund“ verwendet … Das Programm fasst allerunterschiedlichste Beziehungen zusammen, wirft sie in denselben Topf, benennt sie mit demselben Wort. Die „Freunde“, auf Facebook sind oftmals flüchtige Bekannte, manchmal kaum das – und der reale Freundeskreis entspricht keineswegs der digitalen Kollektion.
Facebook verwendet das Wort „Freund“ aus purer Verlegenheit heraus, scheint mir. Vormals brauchte man keinen Ausdruck für solch eine heterogene Besetzung, wie sie sich nur via Bildschirm zusammenfindet: Lieblingsmenschen und Kaumbekannte, engste Partner und gänzlich Fremde. Hier fehlt unserer Sprache ein Wort. Ich schlage vor, künftig von „Facefreunden“ zu sprechen.
Jeder „Freund“ auf Facebook ist ein Facefreund. Aber nicht jeder Facefreund ist ein Freund.
„To me, coming from you, / friend is a four letter word. / End is the only part of the word / that I heard.” Singt die Gruppe “Cake”.
Lasst uns „Freund“ auch weiter mit sechs Buchstaben schreiben, Freunde! Mehr wäre weniger.
(Dodo – danke!)
Facefreund = ein mit der eigenen Nutzerseite verlinkter Nutzer in einem sozialen Netzwerk
befacefreundet = über ein soziales Netzwerk miteinander bekannt
Sechs-Buchstaben-Freund = „Freund“ im Gegensatz zu „Facefreund“ (Vorschlag von Tamara Spitzing)