von 09.10.2009

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Pro & Contra zum heutigen Streik von taz-Praktikanten: Sind Praktika, vor allem nach dem Studium, überhaupt noch sinnvoll? Oder werden Praktikanten von den Unternehmen billig abgefertigt?

PRO

Sarah Preuss, 23, studiert Politikwissenschaft in Münster und war bis vor wenigen Wochen Praktikantin im taz-Ressort Wirtschaft & Umwelt. Es war ihr zweites Praktikum.

Der Begriff der „Generation Praktikum“ ist längst zum Synonym der Ausbeutung geworden: derjenigen jungen Menschen, die in Zeiten der unsicheren und prekären Arbeitsverhältnisse unterbezahlt oder ganz ohne Entlohnung Vollzeitstellen im Unternehmen ersetzen. Natürlich ist solch eine Entwicklung nicht nur in moralischer Hinsicht zweifelhaft. Sie untergräbt auch den Wert der Arbeit. Und doch wird in der Diskussion oft vergessen, was hinter dem Konzept des Praktikums eigentlich steht – nämlich ein wertvolles Instrument, um das theoretische Hochschulwissen in der Praxis anzuwenden, um Kontakte zu knüpfen oder um die Zeit der Jobsuche nach dem Diplom sinnvoll zu überbrücken.

Der direkte Weg von der Uni zur (unbefristeten und qualifizierten) Tätigkeit ist heute kaum noch Realität. Das Praktikum ist hierbei oft die einzige Chance, überhaupt Zugang zu einem Unternehmen und somit die Aussicht auf ein Arbeitsverhältnis zu bekommen. Schließlich können die eigenen Fähigkeiten direkt unter Beweis gestellt werden. Außerdem können sich Arbeitgeber und potenzieller Arbeitnehmer beschnuppern: Passt der Praktikant ins Unternehmen? Vor allem: Passt auch das Unternehmen zu mir? Idealerweise ergibt sich die Möglichkeit der Weiterqualifizierung, vor allem wenn Praktika im Rahmen des Studiums noch nicht absolviert wurden. Das Praktikum kann aber auch zur Umorientierung dienen, wenn sich die Berufswünsche während des Studiums geändert haben.

Niemals ein Praktikum nach dem Studium zu machen, die ausbeuterischen Spielchen der Unternehmen nicht mitzuspielen – das fordern einige. Und doch macht es unsere Generation von HochschulabsolventInnen. Die „Generation Praktikum“ deswegen zu bemitleiden hilft nicht. Sie deswegen zu verurteilen ist zu einfach. Denn gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, in denen das Angebot an Arbeit die Nachfrage in vielen Branchen übersteigt, muss das Praktikum nach dem Studium als Chance begriffen werden, sich dem Arbeitgeber direkt Wege zu empfehlen.

CONTRA

Claus Breuer, 29, studiert Politikwissenschaften in Bonn und ist Praktikant im taz-Ressort Wirtschaft & Umwelt. Es ist sein zweites Praktikum.

Ein Kennzeichen des Studentendaseins ist das berühmte eigenverantwortliche Arbeiten. Aus der Schulpflicht ist man längst entlassen, und egal ob der Staat oder die Eltern die Hochschulkarriere finanzieren: Am Ende steht man dumm da, wenn man seine Studien ausschließlich in der Kneipe betrieben hat. Und ohne Praxis geht in den meisten Fällen genauso wenig, hier ist Initiative gefragt.

Praktika gehören in vielen Studiengängen längst zum Pflichtprogramm. Netzwerke knüpfen, Erfahrung sammeln, Arbeitsluft schnuppern – alles wichtig, auch über den beruflichen Horizont hinaus. Als StudentIn, bestenfalls einigermaßen sozial abgesichert, lässt sich das alles noch ganz gut bewerkstelligen. Warum aber sollte man sich nach dem Abschluss noch darauf einlassen müssen, die Ausbildung mit einem weiteren, möglicherweise unbezahlten Praktikum fortzusetzen? Was, wenn dafür dann auch noch die finanzielle Grundlage fehlt? Qualifikation nur mit dem nötigen Kleingeld?

Da es zu fast allem und jedem Studien gibt, finden sich natürlich auch solche über den Berufseinstieg nach der Uni. Und die machen durchaus Hoffnung: Zwar muss die eine oder der andere Durststrecken überwinden, mit etwas Geduld findet sich dann aber für die allermeisten doch ein Job. Praktika braucht es aber häufig auch postgraduiert noch. Aber sind Hochschulabschlüsse nicht hochqualifizierte Abschlüsse?

Das sind sie sogar umso mehr, wenn die Praxis während des Studiums nicht zu kurz gekommen ist. Die Ausbildung ist mit dem Abgangszeugnis abgeschlossen. Hat der Absolvent sich nicht nur um die Klausuren gekümmert, sondern auch die wirkliche Welt jenseits des Hochschultors kennengelernt, dann reicht das. Die Probezeit erwartet jeden Einsteiger ohnehin.

Lebenslanges Lernen findet auch mit Arbeitsvertrag statt. Arbeitgeber dürfen Einarbeitungsphase und Fortbildungsmaßnahmen ihrer Angestellten ruhig als Investition in qualifiziertes und motiviertes Personal begreifen. Aber möglichst viel Arbeitszeit von Hochschulabsolventen abzuluchsen, ist ohne angemessene Entlohnung Ausbeutung. Ausbildung muss sich wieder lohnen!

Dieses Pro & Contra erscheint heute in der taz

Siehe auch:

Die acht Streik-Organisatoren
Blog zum Streik
– Streikposten bei Facebook, StudiVZ und Twitter
Beilage in der taz über den Streik (PDF)

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