Die Amerikaner sind nicht so furchtbar glücklich über Wikileaks: Fast 60 Prozent glauben, Julian Assange sollte hinter Schloss und Riegel sitzen, stellte die Washington Post fest. Deshalb sind wohl selbst die Late-Night-Witzereißer vorsichtig: Alle Assange-Witze in den Late-Night-Shows hören sich so an, als seien sie von einer Focus Group darauf getestet worden, dass sie möglichst keinen beleidigen.
Apropos beleidigt: Die New York Times ist offenbar sauer, dass Assange die fraglichen Kabel ihnen nicht zur Verfügung gestellt hat, sie mussten die über den Guardian besorgen. Jedenfalls, nun zahlen sie es ihm heim, indem sie sich vornehm zurückhalten, während er im Knast sitzt. Wir reden hier von einer Zeitung, die quasi zum bewaffneten Widerstand aufgerufen hat, als Judith Miller im Knast saß; eine Times-Reporterin, die Berichte über irakische Massenvernichtungswaffen frisch aus dem Vizepräsidentenbüro geliefert hat.
Apropos Miller: Gestern habe ich Fair Game gesehen, der Film über Valerie Plame, die geoutete CIA-Agentin. Also, man freut sich ja, wenn im amerikanischen Kino überhaupt mal ein politischer Film läuft, aber es ist doch schwer erträglich, wenn der abgeschlachteten irakischen Familie 30 Sekunden gewidmet werden und der Ehekrise der Hauptdarsteller 30 Minuten.
Zurück zu Assange: Was die Konservativen, die seinen Kopf fordern, nicht so klasse finden, ist der Haftbefehl wegen dem geplatzen Kondom. Man kann so richtig deren Gedanken lesen: Hinter Gitter soll er schon, aber wenn das mit dem Gummi Schule macht, dann gute Nacht.
In Deutschland wiederum finde ich es ein bisschen widersprüchlich, dass die gleichen männlichen Redakteure, die für Roman Polanski und Michel Friedman so vehement in die Bütt gegangen sind, nun bei Assange so zurückhaltend sind. Immerhin hat der keine minderjährigen Zwangsprostituierten mit Drogen abgefüllt und anal vergewaltigt, aber was verstehe ich schon von hoher Politik.