Das konservative Treffen CPAC, bei dem am Wochenende 10.000 Leute in Washington zusammen gekommen sind, stand unter den schlechtestmöglichen Vorzeichen: Untreue, Lüge, Sex und Erwischtwerden. Alles bei jemandem aus den eigenen Reihen.
Doch im letzten Moment retteten zwei völlig unterschiedliche Dinge an zwei weit voneinander entfernten Flecken des Planeten den Ruf der Bewegung, die von sich behauptet, die „family values“ zu verteidigen: In Ägypten wurde ein Diktator gegangen – mit einer atemberaubenden Dynamik, die einen großen Teil der Medienaufmerksamkeit absorbierte. Und in Washington trat ein Kongressman zurück. Bei seiner rasanten Flucht aus der Hauptstadt legte auch er eine nie zuvor erlebte Eile zutage.
Chris Lee ist 45 und verheiratet und war seit 2008 Abgeordneter der republikanischen Partei im Repräsentantenhaus. Er ist Wert-Konservativer. Einer von jenen, die bis zuletzt das im Dezember abgeschaffte DADT Gesetz unterstützt haben, das homosexuelle SoldatInnen zu Heimlichtuerei und Heuchelei zwang. Und einer jener, die jede öffentliche Beihilfe zu Schwangerschaftsabbrüchen ablehnen. Auch unter dramatischen Umständen.
Diese Details sind wichtig. Denn sie waren dem Abgeordneten Chris Lee peinlich. In seiner Antwort auf die Kleinanzeige einer partnersuchenden Frau leugnete er seine öffentlichen Identitäten. Änderte seinen Vornamen. Und beschrieb sich stattdessen als: „39, geschieden und Lobbyist“. Dazu mailte er das Foto, das ihm zum Verhängnis wurde: Es zeigt den Kongressabgeordneten vor einem Spiegel. Oben-ohne. Und in einer Pose, die Oberarm- und Bauchmuskeln betont.
Am Tag vor dem Beginn des CPAC -Treffens in Washington veröffentlicht die Klatsch-und-Tratsch-Webseite Gawker das Foto und einen Text über den Abgeordneten, der im Internet nach Sex sucht. In Washington reicht so etwas, um einen Skandal loszutreten.
Chris Lee versucht exakt drei Stunden lang, sich herauszureden. Seine Konstrukte sind durchschaubar. Dann tritt er zurück. In seiner letzten öffentlichen Erklärung, die inzwischen von der
Homepage des vakant gewordenen Abgeordnetensitzes für den Wahlkreis Nummer 26 verschwunden ist, entschuldigt er sich bei seiner Familie, bei seinen MitarbeiterInnen und bei seinen WählerInnen im Westen des Bundesstaates New York. „Ich habe schwere Fehler gemacht“, schreibt er. Und verspricht: „ich werde mit aller Kraft nach ihrem Vergeben suchen“.
Seither ist Chris Lee ab getaucht. Mit seinem Rücktritt hat er das Jahrestreffen des CPAC gerettet. Doch er selbst hat von der Affäre nichts gehabt. Zumindest keinen Spass.
In dem Sex-Skandal, der seine politische Karriere beendete, gab es keinen Sex. Es kam nicht einmal zu einer persönlichen Begegnung. Nachdem die Frau googelnderweise herausgefunden hatte, mit wem sie es zu tun hatte, verlor sie jedes Interesse an ihm.
Für die Annalen muss diese Geschichte dennoch erzählt sein. Denn der nächste Sex-Skandal – ob mit oder ohne – in Washington wird nicht lange auf sich warten lassen. Und für den Fall, dass der auf der anderen Seite stattfindet, soll niemand der selbsternannten Familien- und MoralverteidigerInnen behaupten können, „so etwas“ käme bei ihnen nicht vor.