vonChristian Ihle 21.08.2009

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Bronsonbronson

Bronson ist ein seltsames Biest. Die Biographie des berüchtigsten Gefängnisinsassen Großbritanniens gibt sich brutal nah und künstlich zugleich. Bronson selbst ist in gewisser Weise natürlich eine faszinierende Figur und seine Odysee von Gefängnis zu Gefängnis, von Gewaltausbruch zu Gewaltausbruch auch auf eine Art erzählt, die dieser Faszination mit der ursprünglichen Gewalt, dem Animalischen Rechnung trägt – zugleich aber greift der Film immer wieder zu Überstilisierungen, die die gezeigte Gewalt auf seltsame Art entwerten.

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=UAxOUyVs3O0[/youtube]
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Da auch noch der Look des Films dem Kino der frühen 70er ähnelt, drängt sich als einer der wenigen tauglichen Referenzpunkte „A Clockwork Orange“ auf. Aber Kubrick hat es verstanden, selbst die überstilisierte Gewalt (man denke an die berüchtigte „I’m singing in the rain“ – Vergewaltigungsszene) mit einer spielerischen Wucht zu inszenieren, dass sie auf ihre Art so sehr befremdete, dass sie niemals erträglich wurde. Im Gegensatz zu Alex aus „Clockwork Orange“ ist Bronson aber ein Hooligan, einer, der gerade will, dass wir ihn beklatschen; Und das Auditorium in seiner erträumten Theaterperformance jubelt ihm natürlich zu – genau wie wir Zuschauer nicht anders können, als uns der Faszination der puren, durch nichts gerechtfertigten Gewalt hinzugeben.

So präsentiert „Bronson“ ein amoralisches Bild, das auch nicht mit dem alten Totschlagargument des „Spiegelvorhaltens“ gerechtfertigt ist. Kubricks Idee, Alex in „Clockwork Orange“ zu einer Art Held zu stilisieren, lag ja gerade die zutiefst humanistische Idee zugrunde, dass ein Mensch, der freie, aber falsche Entscheidungen trifft, Mensch ist – aber ein Mensch, der keine Entscheidungen mehr treffen kann, ein unterdrücktes, nicht lebensfähiges Etwas wird. Alex zum (Anti-)Helden werden zu lassen, war Kubricks Feier der Entscheidungsfähigkeit des Menschen. Bronson fehlt dagegen bei aller handwerklichen Präzision, schauspielerischer Glanzleistung, brillantem Soundtrack und unbedingter Fähigkeit, zu unterhalten, der Wille, überhaupt etwas sagen zu wollen.

* UK, 2009
* Regie: Nicolas Winding Refn
* imdb

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A Film With Me In It

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Es ist ja schon ein großes Klischee, Filme von der Insel (und sei es die kleine grüne nebenan) „schwarze Komödien“ zu nennen und ihren „britischen Humor“ zu loben, dem wenig und schon gar nicht der Tod heilig ist. Aber neben vielen, die diese Betitelung mehr oder weniger nur aus Sippenhaft verliehen bekommen, ist „A Film With Me In It“ tatsächlich eine schwarzhumorige Farce, in der Gevatter Tod für die Lacher im Minutentakt sorgt. Wenn hier etwas lustig ist, dann das Sterben.

Mit einer beinahe Coen’schen Genauigkeit inszeniert Ian Fitzgibbon die von seinem Hauptdarsteller Mark Doherty geschriebene Geschichte des Versuchs der Beseitigung eines Unglücks, das – natürlich – selbiges nur potenziert. Hier wird nicht Mensch, nicht Hund geschont und Schuld trägt sowieso niemand.

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=61wkfmWzLq4[/youtube]
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Eine Offenbarung ist Dylan Moran in der zweiten Hauptrolle, der manchem vielleicht aus der in Deutschland leider nie ausgestrahlten britischen Comedyserie „Black Books“ bekannt sein dürfte (und hier im Grunde die gleiche Rolle spielt: einen versoffenen, dennoch intelligenten waste of space). Auch wenn die Story nach zwei wunderbar überdrehten, aber immer in sich logischen Dritteln gegen Ende etwas den Schwung verliert und Probleme hat, ein schlüssiges Ende zu finden, bekommt „A Film With Me In It“ ohne Zweifel eine klare Empfehlung.

* Irland, 2009
* Regie: Ian Fitzgibbon
* imdb

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Pontypool

pöontypool

Bei aller Präzision ist der neue Film des kanadischen Regisseurs Bruce McDonald, der uns zuletzt mit Tracey Fragments in den Bann zog, leider nicht mehr als eine Fingerübung, die im falschen Medium gelandet ist. „Pontypool“ mag eine hervorragende Kurzgeschichte über die Macht des Wortes und vielleicht sogar ein noch besseres Hörspiel über den Fluch des gesprochenen Wortes sein, aber es ist: kein Film. In einem theaterhaften Setting spielen drei, später vier Personen eine bis gegen Ende action- und handlungslose Radioshow, während der „außen“ „etwas“ passiert. Ist es anfangs noch leidlich spannend, was außen nun geschieht, verliert sich des Zuschauers Aufmerksamkeit aber doch zu schnell, weil innen nichts passiert.

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=RsGPsbAd7Dc[/youtube]
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* Kanada, 2008
* Regie: Bruce McDonald
* imdb

(alle Texte: Christian Ihle)

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