vonChristian Ihle 23.08.2010

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Monsters

1. Der Film in einem Satz:

Tarkovsky stalkt das Monster von Cloverfield im District 9.

2. Darum geht‘s:

Vor sechs Jahren ist dank eines Unfalls mit einer NASA-Raumsonde außerirdisches Leben auf der Erde gelandet. Die Armee der USA versucht, die riesigen Kreaturen in einem Sperr-Gebiet zwischen Texas und Mexiko in Quarantäne zu halten. Sam (Beruf: reiche Tochter) und Andrew (Beruf: Fotograf für eine Zeitung des Tochtervaters) müssen von Mexiko nach Amerika reisen und sind gezwungen, einen Weg durch die infizierte Zone zu wählen, weil alle sicheren Wege aufgrund unglücklicher Umstände nicht zur Verfügung stehen…

Der Brite Gareth Edwards, Autor und Regisseur dieses Debütfilms, versucht etwas ganz Erstaunliches: ein kontemplatives Monster-Movie zu drehen. Niemand schreit, keiner rennt. Sechs lange Jahre leben die Mexikaner mit der täglichen Bedrohung von Kreaturangriff und Luftattackenantwort der US-Armee. Resignation und sich in diesem Leben einrichten, ist ihre einzige Möglichkeit, der Verzweiflung zu entgehen.

Sam und Andrew reisen durch ein verwundetes Land, immer tiefer, immer weiter. Die Wunden werden größer, das Staunen über eine Gegend, in der die Zivilisation auf dem Rückmarsch ist, ebenso.
An der Schwelle zum gelobten Land Amerika angekommen blicken sie auf eine Mauer unvorstellbaren Ausmaßes, den Stein gewordenen Versuch Amerikas, sich von den Gefahren da draußen abzuschotten.

Bei aller Ruhe und Gelassenheit: die Kritik an der amerikanischen Immigrations- wie Interventionspolitik schwingt nicht nur im Subtext mit.
Kann man sich auf die Ruhe des Films einlassen, auf die Entschleunigung, auf die Echtheit (ja!), dann bietet „Monsters“ ein erstaunliches, minimalistisches, in Teilen ergreifend schönes Filmerlebnis. Edwards gelingt vor allem in dem mittleren, zivilisationsfernen Teil das Kino eines Werner Herzog aufleben zu lassen.
Das wahrscheinlich erste Monster-Movie puren Arthouse-Zuschnitts!

3. Der beste Moment:

Mit Sicherheit nicht der Trailer, der kaum irreführender sein könnte.
Ein leiser, ein zarter Film über das Leben und das Arrangieren mit dem allgegenwärtigen Tod.

4. Diese Menschen mögen diesen Film:

Wer District 9 einen gelungenen Versuch fand, das Alien-Genre neu zu definieren – die Sozialkritik aber gerne subtiler formuliert gesehen hätte.

* Regie: Gareth Edwards
* imdb

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Four Lions

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=yGk2TojOd-4[/youtube]
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1. Der Film in einem Satz:

Warum es so wenige erfolgreiche Terroranschläge gibt? Weil die meisten Selbstmordattentäter Idioten vor dem Herrn sind.

2. Darum geht‘s:

Eine muslimische Terror-Zelle plant einen Anschlag in London. Da aber die vier Attentäter dumm wie Fladenbrot sind, geht schief, was nur schief gehen kann. Aus dem pakistanischen Training-Camp fliegen unsere Attentäter bald wieder heraus, weil sie aus Versehen Osama Bin Laden töten und die Rohzutaten für ihre Bombe kaufen sie immer persönlich im gleichen Laden ein (verstellen aber zur Sicherheit jedesmal ihre Stimme und treten dem Ladenbesitzer so auch mal – stimmlich! – als bärtige Frau oder als IRA-Terrorist (!) gegenüber). Alles endet in irrsinnigem Chaos bei einem Wohltätigkeits-Fun-Marathon quer durch die Londoner Innenstadt, an dem unsere Terroristen als Ninja Turtle, Vogel Strauß und Honigbär verkleidet teilnehmen.

Was in einer völlig unzureichenden Kurzzusammenfassung schrecklich albern klingt, ist tatsächlich derart witzig, amüsant, böse und demaskierend, dass man lange überlegen muss, wann man in einem Kinofilm zuletzt soviel lachen konnte. Chris Morris, das Genie hinter der TV-Serie „Nathan Barley„, die New Rave und Berlin-Mitte/Shoreditch bereits vor etlichen Jahre nostradamushaft vorhersagte und dabei gleich bitterbös‘ sezierte, hat einen Film geschrieben und gedreht, der politisch inkorrekt neu buchstabiert.
„Four Lions“ ist wahrscheinlich der lustigste Film, den man dieses Jahr im Kino sehen kann und es ist mit Sicherheit der lustigste Film, der jemals über den Dschihad, Al-Quaeda und Selbstmordattentäter gedreht werden wird.

Neben all der offensichtlichen Komik gelingt es aber Morris immer wieder auf unerwartet subtile Art Religionskritik zu üben, wenn beispielsweise ein Attentäter seinem Sohn eine Dschihad-Gutenachtgeschichte erzählt, bei jeder noch so behämmerten Plot-Wendung garantiert jemand beginnt von „Gottes Plan“ zu salbadern oder die glückliche Familie dem Attentäter-Vater motivierend zuredet, wenn er an seinem Terroristen-Beruf zweifelt.

3. Der beste Moment:

Oh, wo anfangen?! Der Schaf-Mord? Die Outtakes der Bekenneraufnahmen? Der Bekenner-Rap? Oder der arme als Chewbacca verkleidete Marathonläufer, der vom Scharfschützen für den gesuchten Honigbär gehalten wird? („We’ve got a Wookie down!“)

4. Diese Menschen mögen diesen Film:

Wer im Kino gerne Lachsalven abfeuert und beim alten Tucholsky ist, dass Satire wirklich alles dürfe!

* Regie: Chris Morris
* imdb

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