Der höchstrangige noch aktive Führer der im Kongo kämpfenden ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) ist in Haft. Callixte Mbarushimana wurde am Montagnachmittag in Paris festgenommen, teilte der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag mit. Der IStGH gab zeitgleich bekannt, er habe am 28. September gegen Mbarushimana einen Haftbefehl wegen des Verdachts auf Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ausgestellt. Nun wird über seine Überstellung nach Den Haag verhandelt.
Mbarushimana ist Exektuvisekretär der FDLR, deren Präsident Ignace Murwanashyaka seit November 2009 in Deutschland wegen des Verdachts auf Kriegsverbrechen im Kongo inhaftiert ist. Mbarushimana hatte nach Murwanashyakas Verhaftung faktisch die Führung der FDLR übernommen und in deren Namen Presseerklärungen unterzeichnet. Die FDLR, Nachfolgeorganisation der für den Völkermord an über 800.000 Menschen in Ruanda verantwortlichen früheren Armee und Hutu-Milizen, kämpft weiter im Osten der Demokratischen Republik Kongo und gilt als verantwortlich für Massenvergewaltigungen und andere Kriegsverbrechen.
Der Strafgerichtshof erklärte, Mbarushimana werde verdächtigt, als Exekutivsekretär der FDLR für unterschiedliche Formen von Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Mord, Folter, Vergewaltigung und unmenschliche Akte) sowie sechs unterschiedliche Formen von Kriegsverbrechen (Angriffe gegen die Zivilbevölkerung, Zerstörung von Besitz, Mord, Folter, Vergewaltigung, unmenschliche Behandlung und Verfolgung) verantwortlich zu sein.
Diese Verbrechen seien zwischen Januar und September 2009 an der Zivilbevölkerung der ostkongolesischen Provinzen Nord- und Süd-Kivu verübt worden. Mbarushimana habe den Plan dafür mit ausgearbeitet, „um eine humanitäre Katastrophe zu verursachen und eine internationale Kampagne zu lancieren, die politische Machtkonzessionen an die FDLR erpressen sollte“, so der Strafgerichtshof. Es ist das erste Mal, dass der Den Haager Strafgerichtshof direkt Kriegsverbrechen in den ostkongolesischen Kivu-Provinzen behandelt. Seine bisherigen Haftbefehle gegen im Kongo aktive Warlords beziehen sich sämtlich auf den nordostkongolesischen Distrikt Ituri.
Mbarushimana lebt seit Jahren in Paris. Während des ruandischen Völkermordes 1994 arbeitete er beim UN-Entwicklungsprogramm UNDP in Ruandas Hauptstadt Kigali und wurde verschiedentlich hinterher verdächtigt, an der Ermordung von Tutsi-Kollegen beteiligt gewesen zu sein.
Entsprechende Verdächtigungen blieben aber juristisch folgenlos und Mbarushimana arbeitete weiter für die UN in Angola und Kosovo. Das UN-Ruanda-Tribunal ICTR im tansanischen Arusha lehnte eine Anklageerhebung gegen Mbarushimana ab und stellte die Ermittlungen gegen ihn 2002 ein, da die ihm zur Last gelegten Verbrechen nicht schwerwiegend genug seien. Er bekam daraufhin politisches Asyl in Frankreich.
Im Juni 2008 setzte Interpol Mbarushimana erneut auf eine Liste gesuchter ruandischer Völkermordverdächtiger. Daraufhin wurde er am Frankfurter Flughafen festgenommen, kam jedoch nach wenigen Monaten wieder frei. Danach widmete er sich der politischen Führung der FDLR. Im August 2010 soll er nach taz-Recherchen einen Vermittlungsversuch der italienischen Katholikengemeinde Sant’Egidio zwischen der FDLR und der UN-Mission im Kongo (Monusco) torpediert haben, der zur friedlichen Repatriierung von im Kongo lebenden ruandischen Hutu-Flüchtlingen hätte führen sollen. Seitdem haben die FDLR-Militäreinheiten im Ostkongo ihre militärischen Aktivitäten verstärkt.