Es gibt Bücher, die ich wegen ihrer spannenden Story lese. Und dann gibt es Bücher, die ich gern lese, weil ich dann einfach mal kurz nicht in meinem Kopf, sondern in dem einer Figur wohnen kann. „Auf allen Vieren“ von Miranda July ist so ein Buch.
Meine Empfehlung kannst du auch in der neusten Feminismus mit Vorsatz Folge hören, bei 3:00 min geht’s los:
Die Protagonistin ist Mitte 40 und lebt mit ihrem Mann und ihrem non-binären Kind Sam in einem großen Haus in Los Angeles. Geld scheint keine Rolle zu spielen, „obwohl“ beide in kreativen Berufen arbeiten.
Zu ihrem Geburtstag plant sie einen Roadtrip nach New York – detailliert vorbereitet mit neuer UV-Kleidung, Podcasts und Playlists, zusammengestellt von Freundinnen für jede Etappe. Sie kommt allerdings nur bis zum nächstbesten Kaff, bleibt spontan dort und mietet ein Motelzimmer, das sie für 20.000 Dollar umgestalten lässt. Spätestens hier sollte klar sein, dass wir es mit einem ganz speziellen Charakter zu tun haben.
Sie beginnt, sich zu verlieben. So zart, so beiläufig, dass ich es fast nicht mitbekommen habe. Es folgt eine Mischung aus sexuellem Erwachen, Midlife-Crisis und Neuanfang. Ihre Ehe beginnt, sich neu zu sortieren. Und mittendrin: Das Thema Menopause.
Was Miranda July besonders macht, ist nicht das „Was“, sondern das „Wie“. Ihre Figuren sind schrullig, widersprüchlich, ein bisschen lost. Sie haben merkwürdige Obsessionen, verlieben sich möglichst aussichtslos und bauen sich Luftschlösser, in denen sie mit aller Kraft wohnen bleiben wollen. Die Gedankenwelt ihrer Protagonist*innen ist nahbar, aber manchmal so schräg, dass ich lachen musste, obwohl gerade gar nichts Lustiges passiert.
Eines meiner Highlights war eine Szene, in der der Typ, in den sie sich langsam verliebt, seinen Pullover auszieht, weil ihm warm ist. Sie sieht seine Brust und möchte sie küssen. Diesen Drang verteidigt sie damit, dass wenn es Jesu Brust wäre, ja wohl jede*r ans Küssen denken würde. Logisch, oder?
Auch ich wäre bei dieser alltäglichen Szene nicht sofort bei Jesus gelandet – Miranda July schon. Und das macht Spaß.
Sprachlich fand ich toll, dass auch im deutschen Text die Pronomen „dey“ und „demm“ verwendet werden. Ohne große Erklärung. Einfach gemacht. Diese Selbstverständlichkeit fand ich sehr angenehm. Nur an einer Stelle sagt die Protagonistin sowas wie: „Wehe, du ordnest meinem Kind ein Geschlecht zu – Sam ist non-binär.“
„Auf allen Vieren“ hat um die 400 Seiten – genug, um richtig einzutauchen, aber auch nicht zu viel für einen Sommer.
Wer Lust hat auf ein feministisches, sehr eigenes Buch, das nachhallt und noch Tage später Fragen aufwirft, ist hier richtig.
Ich verkrümel mich jetzt schon hinter dem nächsten Buch von July – „Zehn Wahrheiten“, eine Kurzgeschichtensammlung.
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Shownotes zur Podcastfolge:
Gunda Werner Institut zu Reproduktiver Gerechtigkeit
Miranda July: Auf allen Vieren (Verlag: Kiepenheuer & Witsch)
Gebunden auf buch7
für gebrauchte Bücher empfehle ich dir https://www.justbooks.de/
1000Dank an alle, die Feminismus mit Vorsatz möglich machen!
Musik von slip.stream
Coverdesign: Svenja Limke
Titelmusik: Louis Schwadron