Der Kolumnist der Tageszeitung „Trouw“, Sylvain Ephimenco, versuchte in seinem Stück in der Wochenausgabe sehr vorsichtig zu sein, irgendwie drehte er um den heissen Brei. Im Internet habe er da von einem „Sex-Skandal“ rund um einen bekannten niederländischen Politiker gelesen – den Namen nannte Ephimenco nicht. Dann meinte er noch, dass die niederländische Presse offensichtlich mit zweierlei Maß messe. Über die Sex-Skandale von Italiens Premier Silvio Berlusconi werde ausführlich berichtet, auch in der niederländischen Presse.
Die Zeitschrift HP/De Tijd war weniger zimperlich. Diese Woche nannte sie den Namen – und berichtete über den angeblichen Sachverhalt. Es geht um Wouter Bos, den Finanzminister von der PvdA. Es gibt einige Jahre Gerüchte, der mit einer Frau verheiratete Spitzenmann der Sozialdemokraten sei in Wirklichkeit homosexuell. Wenn es so wäre, dann würde es in den Niederlanden kaum jemand kümmern, höchstens ein paar religiöse Fanatiker. Aber die wählen eh nicht die PvdA (auch wenn die PvdA von Geert Wilders als Sharia-Sozialisten beschimpft wird – sie ist doch eine eher atheistische Partei).
Doch nun hat ein Mann namens Micha Kat, der die Website Klokkenluider Online betreibt, der angeblichen Sache einen Dreh gegeben. Demnach habe Wouter Bos mit dem Trendwatcher Adjiedj Bakas Sex gehabt, der habe ein Video davon gedreht und dann Bos um 40.000 Euro erpresst. Wäre das wahr, dann wäre also der Finanzminister erpressbar.
Nur, wo ist der Beweis? Kat hat keinen geliefert. Er musste die Beschuldigungen inzwischen auch auf seiner Klokkenluider-Website löschen und HP/De Tijd nahm ein Interview mit Kat offenbar nach einem Tag wieder von der Website. Kat hat nach eigener Aussage den angeblichen Skandal öffentlich gemacht, weil Wouter Bos nach der verheerenden Niederlage bei den Europawahlen den eigenen Spitzenkandidaten schwarz gemacht habe. Der Zusammenhang ist doch an den Haaren herbeigezogen. Kat geht auf seiner Website auf eine Art und Weise zu Werke, dass es mir schwer fällt, ihn seriös zu nehmen.
So hat er ein Buch über das NRC Handelsblad (in etwa die FAZ der Niederlande) geschrieben. Das Blatt verbreitete lauter Lügen usw. Um das Thema zu vertiefen taucht er dann auch schon vor dem Redaktionsgebäude des NRC in Rotterdam auf, lauert NRC-Journalisten aggressiv mit Interview-Wünschen auf und schreit hysterisch vor der Kamera herum und dann stellt er das Video auf seine Website ein.
Im Fall Wouter Bos titelt er bzw. auf seiner Website „Alles aan Wouter Bos is fake, alles!“ Tja, alles – eine Nummer kleiner macht es Kat lieber nicht. Kurzum: selbst wenn Kat mal bei einem Thema Recht hat, sein Ton schadet gelinde gesagt seiner Glaubwürdigkeit.
Ich kann mich eigentlich auch nur an wenig sogenannte Sex-Skandale niederländischer Politiker erinnern. Da wäre einmal der ermordete Pim Fortuyn – der ging mit seiner Homosexualität sehr offen um, womit er die Sache gleich mal wieder entskandalisierte. Ob es über Besuche in Dark Rooms ging oder Sex mit jungen Männern, Fortuyn nahm kein Blatt vor den Mund. Der sozialdemokratische Politiker Rob Oudkerk kam 2004 in die Schlagzeilen. Er ging regelmässig in Den Haag und Amsterdam zu Prostituierten. Er prahlte damit gegenüber der Schriftstellerin Heleen van Royen, die ihn promt in ihrer Kolumne in der Zeitung „Het Parool“ outete. Seine politische Karriere war danach vorbei. Dann war da noch Ad Melkert, auch er ein Sozialdemokrat. Von ihm, der in der Öffentlichkeit als trockener Technokrat rüberkam, kursiererte das Gerücht, dass er nach dem anstrengenden politischen Dienst Entspannung mit SM fand. Für den niederländischen Sender RTL Grund für einen Running Gag. In seiner Boulevard-Sendung erklang immer dann ein Peitschenknall, wenn der Name Melkert fiel. Schliesslich haben wir noch Ruud Lubbers, der sich mal den Spitznamen „Stier von Kralingen“ erworben hatte und schliesslich seine Arbeit in Genf für die UNO beenden musste, weil er sich möglicherweise einer US-Kollegin unsittlich zu nahe gekommen war.
Jetzt also Bos. Mit dem Unterschied, das an der Geschichte nichts dran sein dürfte. Es gibt keinen einzigen Beweis. Und damit sollte das Buch mit seinem angeblichen Sex-Skandal geschlossen werden.