vonDetlef Guertler 12.03.2010

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Gut, dass Wolfgang Schäuble jetzt mal Butter bei die Fisch gegeben und in der Financial Times Deutschland erklärt hat, wie er sich das mit dem Europäischen Währungsfonds vorstellt. Unter anderem:

Ein Staat, der seine Finanzen nicht im Griff hat, darf nicht über die Finanzen anderer Euro-Mitgliedsstaaten mitentscheiden. Wenn sich ein Euro-Mitgliedsstaat letztlich nicht imstande sehen sollte, die Wettbewerbsfähigkeit seiner Wirtschaft wiederherzustellen und die öffentlichen Haushalte zu sanieren, sollte er als Ultima Ratio auch aus der Währungsunion ausscheiden. … Um uns vor Manipulationen staatlicher Statistiken besser zu schützen, befürworte ich im Falle eines begründeten Verdachts ein direktes Zugriffs- und Kontrollrecht der EU-Statistikbehörde Eurostat auf alle öffentlichen Konten.

Wir in Deutschland kennen ja schon länger den sehr verkniffenen Schäuble-Tonfall. Wir wissen, dass er mit seinen Verzichtspredigten nicht nur die Europäer im Allgemeinen quält, sondern auch die Deutschen im Besonderen. Im Ausland weckt das durchaus andere Assoziationen. So meldete sich in den Kommentaren zur englischen Version des Schäuble-Textes ein offenbar darob deutlich missgelaunter „gkama23“ zu Wort:

Well, if members running deficits must succumb to the inquisition of the new FSD ( Finanz Sicherheits Dienst?) , countries running destabilizing surpluses should not be subject to sanctions too? Should we not look into German finances, when Germany runs a very restrictive policy on wages for more than a decade depriving the rest of Europe of a Demand Engine which could increase growth all around?

Zack! Nazikeule (oder doch Stasikeule?) aus dem Sack! Und damit gleich dem grössten Gleichgewichtsstörer in der Eurozone eins auf die Zwölf gegeben – den Deutschen nämlich. Die, also wir, sind seit der Euro-Einführung völlig aus dem Ruder gelaufen: Während alle anderen Länder sich des neuen Euro-Lebens freuten, hat Deutschland jedes Jahr den Gürtel ein weiteres Loch enger geschnallt. Und damit so viel an Wettbewerbsfähigkeit gewonnen, dass der Rest der Eurozone aussichtslos zurückfiel.

Sprachlich etwas gesetzter als gkama23, aber inhaltlich nicht weniger deutlich formuliert hat das zwei Tage zuvor ebenfalls in der Financial Times deren so ziemlich klügster Kommentator Martin Wolf:

Germany can be Germany – an economy with fiscal discipline, feeble domestic demand and a huge export surplus – only because others are not. Its current economic model violates the universalisability principle of Germany’s greatest philosopher, Immanuel Kant.

Wenn wir uns makroökonomisch an Kants Kategorischen Imperativ halten würden, wäre es völlig abstrus, derart mit der Diktatorenkeule auf Vorschläge einzudreschen, die auf unser Vorgehen aufbauen. Da wir uns nicht daran halten, dürfen wir uns nicht wundern, wenn wir so heftig anpolemisiert werden.

Besser wäre es natürlich, wir würden uns so ändern, dass unser Vorgehen jederzeit ein allgemeines Gesetz werden könnte. Bei Schäuble persönlich habe ich da nur noch wenig Hoffnung – aber Deutschland besteht ja hoffentlich nicht nur aus Schäubles.

Es wäre nicht nur im europäischen, sondern letztlich auch im deutschen Interesse. Wie der Wortist hier bereits vor einigen Wochen erläuterte:

Im Interesse der deutschen Volkswirtschaft war es, Anfang des Nuller-Jahrzehnts still zu halten und mit Reallohn-Senkungen Produktivität zu steigern und Lohnstückkosten zu senken. Im Interesse der europäischen Volkswirtschaft ist es hingegen jetzt, genau den umgekehrten Weg zu gehen.

Aber FT-Kolumnist Martin Wolf sagt es wesentlich philosophischer:

Germany must become less German if the eurozone is to become more so.

(Hat tip an Adie Pratt)

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