vonfini 08.03.2021

Finis kleiner Lieferservice

Eine philosophische Werkzeugprüfung anhand gesellschaftlicher und politischer Phänomene.

Mehr über diesen Blog

Und wieder gehorcht mein armes Herz

Der Sehnsucht nach Gemeinschaft,
einer Familie nachgehend, suchend,
vermeintlich gefunden,
vom äußeren Schein geblendet,
weil, ach, so sehr ersehnt,
mich selbst getäuscht,
verliebt und geliebt,
die Hoffnung entfacht.

Geackert, getan und gemacht,
im Schweiße gestanden,
die Konflikte durchgestanden,
sie gesucht und aufgedeckt,
immer wieder den Schorf von den Wunden gekratzt,
das Blut geleckt,
wieder versöhnt,
geliebt, gelacht und Hoffnung gehabt.

Mit Steinen so schwer wie Brocken geflogen,
allein mit dickem Bauch umhergelaufen,
an den kleinen Dingen erfreut,
immer wieder neu gestartet,
die Füße weggerissen,
den Halt verloren,
verzweifelt im Dreck gelandet,
geweint, geschrieen, geklagt
und immer wieder Hoffnung gehabt.
Die Brocken neu angeordnet,
immer wieder aufgenommen und aufgehäuft
und neu gestartet,
denn klar, krieg ich das auch noch hin!
wenn nur die Hoffnung, die Sehnsucht mir bleibt.

Das Feuer geschürt,
mich ausgedrückt,
die Torte an die Wand geklatscht,
die Wut entfacht,
habe ich das nicht toll gemacht?!
Haben wir uns nicht total offen und frei diskutiert?!

Welche Illusionen habe ich mir gemacht!

Und wieder gehorcht mein armes Herz

Schon regt sich die Frucht,
die Liebe ist groß
und ist dies nicht der Preis?!
dass Frau leidet bis in den Tod,
wer wäre sie denn?
Anmaßend, stolz und egoistisch,
bewahre, wo kämen wir da hin?

Und die Liebe wird neu geboren,
unschuldig entzückend, so ganz verloren,
kleine Händchen, die nach mir tapsen,
ein Vater, der alles tut, um ja nichts zu verpassen,
der rührt und macht und mit das Kind auf die Welt gebracht.

Die Schmerzen sind groß,
der Frauenkörper liegt erschöpft und ausgelaugt
ganz bloß,
doch muss der jetzt erst recht funktionieren,
schließlich gilt es, das kleine Bedürfnis nicht zu frustrieren
und ist das Stillen nicht eine Mutterfreud?
Ignorier den Schorf auf deiner Brust,
ist das Stillen nicht eine Lust?
Von durchweinten Nächten ganz zu schweigen,
doch dies muss ja jedes Elternpaar erleiden,
ist so völlig normal,
auch dass kein Manne dies lange erträgt,
schon zieht er zurück sich vom Wochenbett,
muss erholen sich, übel nimmt man ihm das natürlich nicht,
doch was ist mit ihr?

Und die Alten, die unken und kichern,
jaja, der Preis ist hoch,
doch haben wir alle ihn gezahlt,
wo kämst du da hin,
anmaßend du bist,
dein Platz ist bei Manne und Kind.

Den Körper zusammengeflickt, wieder funktioniert,
die Seele vertröstet, nichts auskuriert
und wieder gemacht und getan und Rücksicht genommen,
den Manne bloß nicht zur Verantwortung dazu gezogen,
ihn geschont und ernstgenommen,
um wenigstens ein bisschen an Unterstützung zu bekommen.

Neu gestartet,
das verkrustete Blut an den Flügeln geronnen,
die Steinbrocken neu sortiert und angeordnet,
so müsste es doch gehen,
so wird es erwartet.

Und wieder gehorcht mein armes Herz

Und den Aufwind genutzt,
die innere Stimme geknebelt,
in Ketten gelegt, was sich negativ meldet,
die Hoffnung geschürt,
das Glück liegt so nah
und in den Sommer gestartet,
doch der nächste Winter, der kam…

Wund, krank,
verletzt und halbtod,
kriechend nur noch den Verpflichtungen nach,
aber ich muss doch, muss doch funktionieren,
niemand sonst da für mein unschuldiges Kind.

Die Flügel zerschunden,
der Körper halbtod,
die Seele, sie flackert kaum noch,
doch die Hoffnung, die Hoffnung,
verdammt soll sie sein,
sie redet mir Illusionen und Möglichkeiten ein,
ein wenig Abstand, ein wenig Raum,
die menschlichen Abgründe ausgesperrt
und weggeschoben, sie zur Nichtigkeit erklärt
und schon kannst du doch auch so tun,
als lebest du deinen Traum.

Denn so ist das Leben nunmal,
wer bist denn du,
dass es dir anders erginge
als Millionen von Frauen, die Mutter sein wollten.
Hattest du nicht die freie Wahl?
Worüber beklagst du dich denn?
Ist es, mal anders betrachtet, nicht alles ganz wunderbar?

Und wieder gehorcht mein armes Herz

Und der dritte Sommer ging ins Land
und ist es nicht allgemein bekannt,
dass frau nehmen muss, was sich ihr bietet,
wenn Mutter sie ist und ihr einer gebietet?
Welch Mensch wäre sie,
die Familie zerstörend,
das Kind zu brandmarken,
Scheidungskind,
und dem Manne abzuschwören,
wo doch alle scheinbar so glücklich sind.

Doch neu ist da Sehnsucht, die entfacht
die innere Energie, die Frauenkraft,
der Wille zu fliegen
und nicht nur den Schmerz zu besiegen,
sondern wirklich empfindend zu sein,
Leichtigkeit und Freude zu leben,
den Spiegel der Wahrheit zu blicken
und nicht davor weg zu schricken.

Doch was im Spiegel ich wurde gewahr:
Eine vernarbte Frau, halb kauernd, halb kriechend,
von leeren Blasen umringt, die langsam zerplatzten
und nur noch Schmerz zurück ließen,
wo vorher ein Funkeln und Glitzern gewesen war.

Und erst als die letzte Blase zerplatz,
der letzte Blutstropfen geronnen
und die Scherben wahrgenommen,
da blickte ich zurück auf einen Raum,
der voller Hoffnung gewesen war,
doch nun leer gähnend hinter mir lag.

Und nun endlich trauert und weint mein armes Herz,
über das, was alles nicht war,
doch war es als Möglichkeit da.
Was hast du gelitten,
was hast du erdacht,
was hast du erfühlt
und möglich gemacht,
mein armes Herz.
Ich danke für dein Durchhalten bis hier
und eines verspreche ich dir:
gehorche nicht mehr,
nie mehr!

(Zusendung auf meine Artikel zum Lost Boy Syndrom)

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/finiskleinerlieferservice/2021/03/08/wendys-lyrik/

aktuell auf taz.de

kommentare