Wer letztes Jahr die große Übersichtsausstellung “OST. SÜD. Frank Gaudlitz. Fotografien 1986-2020” im Potsdam Museum gesehen hat, wird wahrscheinlich mit offenem Mund und weit geöffneten Augen staunend vor einer großen tiefroten Wand gestanden haben, auf der es vor prallem Leben so wild wimmelte, dass einem ganz schön schummrig wurde!? Dabei zeigte die rote Wand “nur” eine Auswahl Stillleben (mithin toter Materie), die Künstlerkollege und Freund Frank Gaudlitz in Südamerika mit exotischen Früchten und ebenso exotischen Tieren (verzehrfrisch vom Markt, ausgestopft oder mal eben von einer Schamanin ausgeborgt) vor freigestelltem Hintergrund en plein air inszeniert  hatte (immer mit staunenden Zuschauern im Rücken). Die Arbeit dazu heisst A MAZO. Ein Buch gibt es auch (Hatje Cantz). Sehr zu empfehlen.

Aber halt: Oben habe ich zweimal das Wort exotisch gebraucht. Eine Vokabel, die ich bei meiner eigenen künstlerischen Arbeit wie Satan das Weihwasser fürchte. Denn mein heiliger (Pathoswarnung!) Anspruch, mein künstlerisches Reinheitsgebot (Danke, Tom Liwa, für das Wort) ist es, nur von dem zu erzählen, was ich wirklich kenne, also z.B. meine (Familien-)Bande oder Brandenburg. Frank Gaudlitz dagegen ist in Bogotá genauso heimisch wie in Bad Belzig, in Caracas wie in Cottbus, in Lima wie in Lychen. Mithin ist das, was mir exotisch erschien, für Frank ganz vertraut und deshalb sind seine Südamerika-Stillleben eben nicht exotisch, sondern einfach nur erzgeil (sorry, ist nur dem Stabreim geschuldet). Und nun wurde Frank vom Kulturland Brandenburg gefragt, ob er nicht auch mal in Brandenburg Stillleben im Stile von A MAZO fotografieren wolle. Mit Ausstellung und Publikation (kommt bald) und Fördergeldern. Konnte er natürlich nicht ablehnen (warum auch), obwohl Frank (und das macht den wahren Künstler aus) sich nie wiederholen möchte und deshalb bei seiner  gelungenen (reichlich kostenfreie Getränke) Vernissage nicht müde wurde zu betonen, dass es sich hier nur um eine Auftragsarbeit handeln würde bei Wels und Wirsing (und jetzt kommt mein Ausstellungstipp, highly recommended, bitte hingehen alle, die ihr Berliner oder Brandenburger seid):

Wels und Wirsing. Stillleben von Frank Gaudlitz

01. Juli bis 28. August 2022

Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte
Am Neuen Markt 9, 14467 Potsdam

Frank Gaudlitz (geb. 1958)

Nach einer Lehre als Maler und Fußbodenleger und Studium am Institut für Heimerziehungsausbildung in Hohenprießnitz, studierte er von 1987 bis 1991 Fotografie bei Arno Fischer an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig.

Frank Gaudlitz arbeitet analog an selbstkonzipierten Langzeitprojekten, insbesondere in Russland, Osteuropa und Südamerika. Seine großen fotografischen Bildfolgen „Die Russen gehen“, „Russian Times 1988-2018“, „Warten auf Europa“, „Casa Mare“, „Sonnenstraße“ und „A Mazo“ spannen einen Bogen zwischen epochalen Ereignissen und Einzelschicksalen. Sie wurden in Bildbänden und internationalen Einzelausstellungen veröffentlicht und vielfach mit Preisen und Stipendien ausgezeichnet.

Im Jahr 2020 ehrte das Potsdam Museum seine Arbeit durch eine umfassende Retrospektive. Dazu erschien der Fotoband „OST. SÜD. Fotografien 1986-2020“.
Seit 2015 begleitet Frank Gaudlitz die Themenjahre von Kulturland Brandenburg fotografisch.

südamerikanisches Stillleben aus dem Buch A MAZO © Frank Gaudlitz

südamerikanisches Stillleben aus dem Buch A MAZO © Frank Gaudlitz

südamerikanisches Stillleben aus dem Buch A MAZO © Frank Gaudlitz