Liebe Blog-LeserInnen,
nicht ganz uneigennützig möchte ich Sie / Euch auf eine Ausstellung aufmerksam machen, die ab dem ersten April in der Gedenkstätte Buchenwald gezeigt wird:
Fred Hüning / Sabina Kaluza
KÜNSTLERISCHE ANNÄHERUNGEN / ARTISTIC APPROACHES
Keller der Kunstausstellung
Gedenkstätte Buchenwald
99427 Weimar
01.04.2025 bis voraussichtlich Ende Juli 2025
Dienstag bis Sonntag 10-18 Uhr
Meine dort ausgestellte Arbeit „BUCHENWALD: Erzählung eines Segelschiffes“ wurde in Teilen bereits 2024 im Schloss Neuhardenberg (Auswahl Kunstpreis Brandenburg) gezeigt:
Fred Hüning – „BUCHENWALD: Erzählung eines Segelschiffes“
„Geschichte ist niemals stumm. Egal, wie sehr sie in Brand gesetzt oder kaputt gemacht wird, egal, wie viele Lügen erzählt werden, die menschliche Geschichte weigert sich, den Mund zu halten.“
Eduardo Galeano („Die offenen Adern Lateinamerikas“)
„O Buchenwald, ich kann dich nicht vergessen, weil du mein Schicksal bist.“
aus dem Buchenwald-Lied von Fritz Löhner-Beda und Hermann Leopoldi
2018 erhielt eine Berliner Rentnerin von einer Nachbarin ein Modellsegelboot für ihre Enkel zum Spielen. Diese ekelten sich jedoch vor dem verstaubten alten Ding und wollten es nicht haben. Voller Zorn darüber nahm die Frau einen Hammer und schlug damit so lange auf das Boot ein, bis aus dem Schiffsrumpf ein mehrfach gefalteter Zettel fiel. Die darin enthaltene handgeschriebene Botschaft an eine imaginäre Nachwelt – 1939 verfasst unter dem Eindruck einer im Lager grassierenden Typhus-Epidemie und im Fall einer vorzeitigen Entdeckung unter erheblicher Gefahr für das eigene Leben – stammte von drei Häftlingen des KZ Buchenwald: Willy Werth (1913-1987), Willi Hering (1907-?) und Alfred Schellenberg (1898-1963). Diese stellten – in Zwangsarbeit, aber gegenüber den anderen Häftlingen durchaus privilegiert – im Lager kunstgewerbliche Gegenstände her für den SS-eigenen Betrieb DAW (Deutsche Ausrüstungswerke). Maßstabgetreue Nachbauten historischer Segelschiffe waren beim KZ-Personal sehr beliebt und konnten zur Zierde der heimischen Wohnung bestellt werden. Dazu gab es sogar eine Art Produktkatalog in Form eines Fotoalbums. Die Rentnerin übergab der Gedenkstätte Buchenwald schließlich einen Karton mit dem historisch wertvollen Zettel und den Überresten des Segelbootes.
2019 hörte ich im Rahmen der Sommer-Universität in der Gedenkstätte Ravensbrück erstmalig von dieser Geschichte und war sofort elektrisiert. Anfang 2020 – nur ein paar Tage vor dem Lockdown – erhielt ich die Erlaubnis, in der Historischen Sammlung der Gedenkstätte Buchenwald den Zettel, die Fragmente und weitere Artefakte der Kunstwerkstätten zu fotografieren.
Für die visuelle Umsetzung dieser symbolträchtigen Geschichte (ein scheinbar harmloses Spielzeug entpuppt sich erst nach seiner Zerstörung als historisches Dokument menschlicher Schicksale / Geschichte lässt sich nicht verdrängen, kommt immer wieder ans Tageslicht) habe ich mit Negativen, Spiegelungen sowie Überblendungen von Fotografien und Archivbildern gearbeitet. Die originalen
handschriftlichen Sätze des Zettels, die u.a. den Refrain des Buchenwald-Liedes enthalten, habe ich zudem in Satz-Fragmenten auf einige der Bilder gelegt. Das einzige in der Sammlung Buchenwald vorhandene Dokument der drei Häftlinge, ein Foto von Alfred Schellenberg und seiner Familie, habe ich mit Familienaufnahmen des Lagerleiters Karl Koch visuell überlagert.
Der komplette Text des Zettels lautet:
O Buchenwald, ich kann dich nicht vergessen, weil du mein Schicksal bist. Wir bauten das Schifflein in einer nie vergesslichen Zeit. Es herrscht Typhus im Lager.
Konzentrationslager Buchenwald bei
Weimar in Thüringen, den 14. März 1939.

© Gedenkstätte Buchenwald / Fred Hüning / Sabina Kaluza












© Bilder: Fred Hüning unter Verwendung von Archivmaterial der Gedenkstätte Buchenwald
© Text: Fred Hüning