Es ist immer noch Sommerpause, der Brandenburg-Berlin-Kulturblog nimmt sich Reisefreiheit und widmet sich auswärtiger Kunstorte. Hier mein Kunststipp Wien, Teil 2:
Im vorherigen Blogbeitrag habe ich ja schon ausführlich von der fantastischen Kunstmetropole Wien geschwärmt. Diese Einschätzung gilt aber vor allem in Hinblick auf die Malerei. In Sachen Fotografie backt Wien doch eher kleine Semmeln, was sich mit der lang erwarteten Eröffnung der FOTO ARSENAL WIEN unter der Leitung von Felix Hoffmann (ex C/O Berlin) auch nicht groß ändern wird. Das weit abseits vom Wiener Hauptbahnhof hinter dem Militärmuseum gelegene FOTO ARSENAL war nicht nur von den unerwartet sehr kleinen Ausstellungsräumen (ich habe ungläubig eine Treppe in die oberen Räume gesucht, aber da kam nichts mehr) sondern auch von den zwei ausgestellten Positionen äußerst enttäuschend: Altmeister Henri Cartier-Bresson mit kleinteiligen Vintage-Prints und der Erkenntnis, das auch der PICASSO der Fotografie ab und zu mal mittelmäßige Fotos gemacht hat (die man aber trotzdem meint zeigen zu müssen, weil noch nie ausgestellt vorher?) sowie eine Wiener Local-Heldin, die mal ganz schön David Bowie in Gugging fotografiert hat, deren hier gezeigtes Werk man aber noch schneller vergessen hat als ihren Namen.
FOTO ARSENAL WIEN
Arsenal Objekt 19A
1030 Wien
Neben dem neuen FOTO ARSENAL WIEN gibt es schon lange als weitere Fotoinstitution: das WESTLICHT. SCHAUPLATZ FÜR FOTOGRAFIE in der WESTBAHNSTRASSE 40, 1070 WIEN, aber:
DERZEIT WEGEN SOMMERPAUSE GESCHLOSSEN. AB DEM 12. SEPTEMBER ZEIGEN WIR (schnarch, schnarch) >>WORLD PRESS PHOTO 2025<<.
Außerdem werden die dortigen Ausstellungen in Räumen mit der Technik-Geschichte der Fotografie neben hunderten historischen Kameras gezeigt, was rein künstlerisch Interessierte (wie mir) völlig abtörnt und kalt lässt.
Aber, genug gemeckert jetzt, es gibt schließlich eine Institution, die neben der Bildenden Künste auch immer explizit die künstlerische Fotografie feiert: Die großartige ALBERTINA (mein persönliches Lieblingswerk der Sammlung: Das große Rasenstück von DÜRER).
Die ALBERTINA (Albertinaplatz 1, 1010 Wien) zeigt noch bis zum 26. OKTOBER 2025 eine große Werkschau von JITKA HANZLOVÁ mit dem Titel Identities und die möchte ich hiermit unbedingt wärmstens empfehlen.
Jitka Hanzlová, 1958 geboren und 1982 aus der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik nach Westdeutschland geflohen, wo sie an der Folkwang Schule in Essen Visuelle Kommunikation mit Schwerpunkt Fotografie studierte. Die Schau in der ALBERTINA ist die erste Museumsausstellung der international renommierten Künstlerin in Österreich und vereint zehn ihrer wichtigsten Serien. Heimat, Verlust, Exil und Identität sind ihre zentralen Themen. Nach der Öffnung des Eisernen Vorhangs kehrte sie immer wieder für künstlerische Projekte in ihre alte Heimat zurück.
Zitat aus dem Ausstellungstext:
Hanzlovás erste Serie Rokytník (1990-1994) zeigt in subtilen Farben die alltägliche Lebenswelt der Bewohner:innen ihres gleichnamigen Heimatdorfes, das ihr vertraut ist und von dem sie sich während ihrer Jahre im Exil dennoch entfernt hat. Für die atmosphärischen Aufnahmen von Forest (2000-2005) fotografiert sie den Wald ihrer Kindheit in der Nähe der Karpaten und gibt seine organische Stille als subjektive Erfahrung wider. In Kontrast dazu stehen eindrückliche Porträtserien, die in internationalen Städten entstehen: Bewohner (1994-1996), Female (1997-2000) oder Brixton (2002) untersuchen Identität durch das Verhältnis von Individuum und urbaner Umgebung. In späteren Serien setzt sich Hanzlová verstärkt mit ökologischen Fragen auseinander. Auch diese höchst präzisen und formal stringenten Aufnahmen drehen sich um Fragen menschlicher Existenz in einer sich laufend verändernden Umwelt.
Mich faszinieren vor allem ihre technisch ganz unspektakulären (das absolute Gegenprogramm zu einem David LaChapelle oder auch einer Annie Leibovitz) Portraits von Menschen ihrer alten und neuen Heimaten, die alle ein nicht näher erklärbares Leuchten in den Augen haben und allesamt Menschen zu sein scheinen, wie sie so schön von Erobique & Jacques Palminger in deren Lied Wann Strahlst Du? beschrieben werden:
Ich liebe die Träumer, die Aufbruchsgeister
Die überall Samen erkennen
Die Fehlschläge nicht zu ernst nehmen
Und immer das Gute benennen
Nicht die, die Zukunft auswendig kennen
Begeisterung als Naivität anschau′n
Und die ihre altbekannten Ängste
Als Ratschläge verpackt um die Ohren hauen
Ich schulde dem Leben das Leuchten in meinen Augen
Wann strahlst du?
Ich schulde dem Leben das Leuchten in meinen Augen
Wann strahlst du?
Ich liebe die, die den Einfall ausprobieren
Der Erfahrung ein Schnippchen schlagen
Zwischen Misserfolgen heil hindurchschlängeln
Und deren Augen leuchten, wenn sie fragen
PLEASE CHECK IT OUT – ONLY IN VIENNA!!!



Alte Freundinnen aus der Fotoszene sind auch zu sehen, hier: EVA BERTRAM



alle Ausstellungsfotos der Show von Jitka Hanzlová in der ALBERTINA: Fred Hüning / 2025