vonFred Hüning 30.11.2025

FKK – Foto, Kunst & Kapriolen

Fred Hüning, Fotograf & Tagedieb, sitzt in einer einsamen Blog-Hütte im Brandenburgischen und schreibt und fotografiert für sein Blog-Buch.

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To be honest: Den folgenden Beitrag schreibe ich vor allem, weil ich die großartige Gelegenheit hatte, eine mir bis dahin völlig unbekannte großartige (there is a lot of ART in „großartig“) Künstlerin persönlich kennenzulernen*** und mit ihr gemeinsam durch ihre vor kurzem eröffnete Ausstellung MOTHERSCAPE in der Albertina Vienna zu flanieren: LEIKO IKEMURA.
Frau IKEMURA ist ein Glücksfall für jeden Portraitfotografen. Obwohl ich nicht darauf eingerichtet war und nur mein Handy mit suboptimaler Linse dabei hatte, stellt Frau IKEMURA sich vor ihrem totalen Triptychon TOKAIDO (ich liebe Alliterationen, you know), nimmt Haltung an und: IST. IST einfach DA im SEIN. THE ARTIST IS PRESENT (Spoiler-Alarm I: Ja mei, Marina Abramović in der modernen Albertina wird an dieser Stelle auch noch besprochen, ich schwöre!). Präsent und im Augenblick. Ernst, mild, leiser Anflug eines Lächelns, weise, wissend, und auch: jugendlich offen, Schutz suchend, Schutz gebend. Wie ihr Signature-Werkkomplex, ihr Kunstmarkt-Hit, ihr weltreisendes Erfolgstück: “ Usagi Kannon“ – die mythischen Häsinnen mit den Mädchengesichtern.

 

Die freundliche Frau IKEMURA vor ihrem Triptychon TOKAIDO  (Auf meine etwas indiskrete Frage, ob sie selbst MOTHER sei, die Antwort: Meine Werke sind meine Kinder.) © Fred Hüning 2025

Wer gerade aber keine 20.000 Euro plus Mehrwertsteuer für eine 17 Zentimeter hohe „Häsin mit Mädchengesicht“ aus Reinsilber „auf Tasche“ hat, kann sich und seinen Lieben lieber einen Wien-Trip zu Weihnachten spendieren. Das wird wesentlich günstiger und zudem ein (versprochen!) großes Kunsterlebnis für die ganze Familie. Eine Artverwandte der aktuell von der Kunstzeitschrift MONOPOL angebotenen beschützenden, hasenförmigen „Usagi“-Figur (Auflage: 20) ist nämlich in 15-facher Größe in der Albertina Wien zu sehen und für alle Schutzsuchenden, Schutzbedürftigen sogar (von Frau Ikemura ausdrücklich gewünscht) zu begehen (Gimme shelter from the storm, rabbit girl).

 

Halb Frau, halb Hase: “ Usagi Kannon“-Figur © 2025 Leiko Ikemura / Foto: Fred Hüning

Die Ausstellung MOTHERSCAPE ist noch bis zum 06.04.2026 in der Pfeilerhalle der ALBERTINA zu bestaunen. Kuratiert hat diese große Übersichtsschau der deutsche Generaldirektor (die Österreicher lieben offenbar solche militärischen Amtstitel) Ralph Gleis. Der ist seit Jänner dieses Jahres im Amt und war vorher u.a. Direktor des Alten Museum in Berlin. Gies hat das Potential und die Qualität der Arbeiten von Frau IKEMURA (diese etwas steife Anrede ist meine Art – there ist a lot of art in Art – meinen Respekt auszudrücken, sozusagen eine Verbeugung in Schriftform und soll irgendwie „japanisch“ klingen) schon vor Jahren erkannt und wollte sie eigentlich schon in ihrer jetzigen Wahlheimat (sie hat lange an der HDK/UDK gelehrt) Berlin ausstellen. Glücklich für beide, dass dies nun in Wien geschieht.

Künstlerin und Kurator / Foto handkoloriert: © Fred Hüning

Und was gibt es da noch zu sehen außer der ikonischen Häsin, die ja besonders gut zu einem Haus passt, dessen heimliches Wahrzeichen der Feldhase von Dürer ist?

Die folgende Zusammenfassung der Pressetexte entstand ganz analog: In 69 Werken geht die wilde Fahrt quer durch das Schaffen der 1951 in Japan geborenen Frau Ikemura, poetisch-kraftvoll,  westliche und östliche Einflüsse vereinend, Lebensthemen sind Weiblichkeit, Transformation und Identität. Die große Kunst, das Zerbrechliche und Mysteriöse der menschlichen Existenz in zutiefst persönlichen und dabei immer auch universellen Bildern zu übertragen, leuchtende Gemälde, reduzierte Zeichnungen, Skulpturen aus glasierter Terrakotta, Glas oder Bronze. Mensch und Natur, Körper und Landschaft, hybride Wesen zwischen Frau und Häsin, Mensch und Dämon. Scapes, Motherscapes, Mutterseinslandschaften, Gefäße, die Leben in sich tragen und zugleich Raum für Neues schaffen. Und immer wieder Girls, Girls, Girls, Mischwesen aus Mädchen und Frau.

Und sogar GEDICHTE! WORTE, die im Kopf zu BILDERN werden, hier ein Beispiel:

Schließe
die Augen länger
bist Du im Fluss der
glitzernden Bilder
Die Landschaft wird flüssig
träume ein
Motherscape
alle Lebewesen
schöpfen sich
in Berührung
des Lichts
für die Ewigkeit
vom uralten Gedächtnis

Und bevor es hier Bilder aus dem Pressematerial zu sehen gibt sowie wie die oben *** angedeutete Exkursion, freue ich mich sehr, den nachfolgen Satz erstmals schreiben zu dürfen:

DIESER BEITRAG ENTSTAND IM RAHMEN EINER PRESSEREISE AUF EINLADUNG DER ALBERTINA.

Tokaido (Triptychon Teil 2), 2015 / 190 × 290 cm, Tempera auf Jute / © 2025 Leiko Ikemura / Foto: Jörg von Bruchhausen

Kitsune, 2022 / 34,5 × 20 × 14 cm, Glas, gegossen / © 2025 Leiko Ikemura / Foto: Jörg von Bruchhausen 2024

O.T., 1993 / 42 × 29,5 cm, Kohle und Pastell auf Papier © 2025 Leiko Ikemura / Foto: Kioku Keizo, The National Museum of Tokyo

Usagi Kannon Janus (340), 2012/2025 / 340 x 160 x 138 cm, patinierte Bronze / Privatsammlung © Leiko Ikemura / © Albertina Museum, Wien / Foto: Rainer Iglar

Triptychon Teile 1-3 (Genesis, Tokaido, Tokaido), 2015 / 190 x 290 cm, Tempera auf Jute / ALBERTINA, Wien © Leiko Ikemura / Foto: Jörg von Bruchhausen

*** Exkursion gefällig? Bitte:
Die obigen Zeilen führten mich zu dem beliebten Gedankenspiel „WAS WÄRE WENN, WIR die großen Alten Meisterinnen der Kunstgeschichte mal persönlich anläßlich einer Vernissage ihrer Werke treffen könnte (Spoileralarm II: Mein Gott, ja, die GOTHIC MODERN – Ausstellung – ebenfalls in der Albertina – bespreche ich hier natürlich ebenfalls noch):

Van Gogh, sich betrinkend, schüchtern, unter einem großen Sonnenhut versteckend.

Dürer arrogant, majestätisch auftretend, nur mit den reichen Sammlerinnen und den Bedeutenden sprechend.

Kollwitz garnicht erst erschienen, jede Kommerzialisierung ihrer Kunst ablehnend und überhaupt aus Protest wegen der Weltlage.

Modersohn-Becker lustig laut, leicht beschwipst, immer auf der Suche nach interessanten Gesichtern in der Menge, die man malen könnte, hat ja keine Zeit zu verlieren.

Schiele fahrig, fiebrig, faszinierend, fabulierend.

Klimt, Malergott, MeToo der ersten Generation, fasst den Damen unter den Rock und den Herren ins Portemonnaie.

Und hier noch die Fakten:

LEIKO IKEMURA
MOTHERSCAPE
Dauer 14.11. 2025 – 6.4. 2026
Ausstellungsort Pfeilerhalle | ALBERTINA

Albertinaplatz 1 | 1010 Wien

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