vonFred Hüning 29.11.2021

FKK – Foto, Kunst & Kapriolen

Fred Hüning, Fotograf & Tagedieb, sitzt in einer einsamen Blog-Hütte im Brandenburgischen und schreibt und fotografiert für sein Blog-Buch.

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Inspiriert von Herzog, Büscher und natürlich auch von Handke, wollte ich vor zehn Jahren die Bundesstraße 96 von Görlitz bis Sassnitz zu Fuß erwandern – einmal quer durch die ehemalige DDR, wo die B 96 noch F 96 hieß. Dafür habe ich sogar das so genannte Arbeitsstipendium für Bildende Kunst des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg 2011 erhalten. Für dieses Stipendium wollte ich mir zunächst die Strecke Berlin bis Fürstenberg vornehmen. Eine Strecke, die ich oft mit meinem Auto auf dem Weg zu meinem Atelier in der Nähe von Fürstenberg zurückgelegt habe. Eine Strecke durch eine schöne Landschaft voller Alleen und voller blumengeschmückter Holzkreuze. Jedes Kreuz für einen oder gar mehrere meist junge Menschen, die sich auf der Suche nach etwas Zerstreuung, Abenteuer und Gemeinschaft mit ihren Fahrzeugen sozusagen um die Bäume gewickelt haben. Diesen jungen Menschen wollte ich mit symbolischen Bildern rund um die B 96 meine Arbeit unter dem Titel „MARK / SCHNITTE“ widmen. Die symbolischen Bilder habe ich auch fotografiert und diese wurden dann auch im Kunstmuseum Dieselkraftwerk Cottbus ausgestellt, nur: Das Wandern auf der B 96 habe ich nach 60 Minuten Dauerstress, wie wild hupenden Autos und vorbei donnernden Lastwagen aufgegeben …

Und hier der versprochene Text von dem Autor und Brandenburg-Experten (Warten auf’n Bus) Oliver Bukowski zu meinen Bildern der Serie MARK / SCHNITTE:

Teddys, Blumen, Briefchen, sie haben ihm auch noch ein Kreuz selbstgewerkelt. Vier Phasen hat die Trauer, sagt der Therapeut, Sie müssen Geduld haben. Die Freunde schweigen, können einen nicht richtig ansehen, ich sie auch nicht. Wenn wer doch was sagt, dann bricht er den Satz ab. Wir sind für dich … Wenn wir irgendwas tun können, dann … Sie meinen es gut, ja doch. Jede Geste, jedes Wort, die Umarmung, die beschwichtigende Hand auf dem Unterarm – alles, alles wirkt plötzlich so peinlich wie aus der Vorabend-Soap. Selbst der Beamte redete TV-Sätze: Aus der Kurve getragen, Gegenverkehr. Mein Beileid, und wenn Sie`s ein wenig beruhigt: Er musste nicht leiden.

Beruhigt nicht. Nichts hilft, nichts! Schon gar nicht der Blödsinn mit der Zeit, die alle Wunden wunderheilen soll. Also raus und hin zu dem Ort, die müssen da was übersehen haben. So was kann doch nicht sein. So einfach.

Auf der B 96 alles wie immer. Die Killerpappeln stehen Spalier, die Familienkutschen dümpeln brav nach Vorschrift, gestorben wird hier nur nachts. In der „Hitze der Nacht“? Im „Schutz der Dunkelheit“? – schon wieder Film und Floskel. Aber besser das, als noch eine Sekunde von dieser Wirklichkeit.

Und noch eine. Und noch eine. Hier? Hier war`s also? Hier soll`s gewesen sein? Müll am Straßenrand, die Monroe unter Laub, ein Insekt wagt sich unverschämt, noch am Leben zu sein. Der Tag aber leuchtet aus: Keine Landschaft, alles Tatort.

© Oliver Bukowski

alle Bilder @ Fred Hüning aus der Serie MARK / SCHNITTE

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https://blogs.taz.de/fkk/schnitte-durch-die-mark-ii/

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