vonFred Hüning 31.08.2024

FKK – Foto, Kunst & Kapriolen

Fred Hüning, Fotograf & Tagedieb, sitzt in einer einsamen Blog-Hütte im Brandenburgischen und schreibt und fotografiert für sein Blog-Buch.

Mehr über diesen Blog

Splitter und Balken, aufgeschnappt und aufgespiesst in der Uckermark, Teil 2:

III.

Das Sommerfest in Gerswalde ist (Achtung: Wortwitz) fest  in Hand der Einheimischen. Die Hipster vom Großen Garten nebenan haben fluchtartig den Ort verlassen.

Ein großer schwerer Mann mit Glatze ist hier wirklich der Einzige, der optisch dem klassischen Bild des Neonazis entspricht. Die NeoNeoNazis sind schwerer zu erkennen, etwa durch Tätowierungen, T-Shirt-Parolen. Die erwähnte Oldschool-Glatze trägt ein T-Shirt mit der breiten Aufschrift:

GEHASST VERDAMMT VERGÖTTERT.

So heißt das millionenfach verkaufte Best-of-Album der “Böhze Onkelz”. Als der DJ ein Lied der BO auflegt, singt gefühlt die halbe Dancecrowd textsicher mit: “Ich trinke auf gute Freunde / Verlorene Liebe und Alte Götter“. Die Glatze schmust dazu mit seiner Freundin. Vorher hat er nur stur und stumm geradeaus geschaut, während seine Freundin ihm unablässig den Nacken gestreichelt und auf ihn eingeredet hat.

Irgendwann im Laufe der Nacht animiert der DJ die durchweg betrunkene Menge: “Wir werfen die Arme in die Höh’, wir werfen den linken Arm, wir werfen den rechten Arm”. Eine große Frau ganz in schwarz und voller Tätowierungen mit irgendwie gebückter Körperhaltung streckt nur ganz kurz und auch irgendwie ganz verschämt den rechten Arm zum verbotenen Gruß aus. Dabei sieht sie ihre identisch aussehende Freundin an und kichert, als wäre das alles nur ein kleiner, kindlicher Scherz. Und vielleicht irre ich mich dabei auch nur und habe den DJ falsch verstanden und die Geste der Frau auch. Schließlich bin auch ich schon ziemlich betrunken.

IV. (Zum Schluss ein Fünkchen Hoffnung)

Noch ein Dorf in de Uckermark. Weil es dort nirgends und nimmerwo mehr eine Dorfkneipe gibt, zieht es die Einheimischen am Wochenende gelegentlich in die Höhle des Löwen, sprich in die von Berlinern (ich wiederhole: alle, die nicht von dort sind von Geburt) aufgemachte Hipster-Brauerei mit Ausschank nur am Weekend. Und weil der Trinkkumpane nicht da ist (” War der kleine Erwin schon da? Was, nur der große Erwin? Der große interessiert mich nicht, der kann mich am Arsch lecken.”), setzt man (“Ich brauche noch ein Bier, was ist mit dir? Ick bin schließlich Alkoholiker, war ick schon imma.’) sich zum ebenfalls allein trinkenden Verfasser dieser Zeilen.

Mein neuer Trinkkumpane wirkt sympathisch und intelligent, zumindest bauernschlau (sorry, ein voll aus der Zeit gefallener Begriff, so bezeichne ich mich aber selbst gerne mal) und ein guter Erzähler. Nachdem wir abgesteckt haben, dass ich ein Berliner (sic!) bin und er hier born-and-raised ist, teilt er mit, dass Berlin nix für ihn ist, ein Moloch, ein Dschungel, in dem man sich als Fremder rettungslos verlieren kann. Er selbst ist einmal mit dem Auto durch Berlin gefahren, hat in einem Autobahntunnel die falsche Abfahrt erwischt und ist in einem Art Alptraum gelandet, SPANDAU nämlich.

Dann erzählt er, dass er die WALDBÜHNE gegoogelt hat und dabei nix, aber rein garnix herausgekommen ist. Sein FAZIT: Die Waldbühne gibt es scheinbar gar nicht.

Dann reden wir über Alkohol am Steuer. Er erzählt, dass er ein guter Bekannter bei den örtlichen Polizeiwachen ist und das er sich einmal in Templin sogar etwas zum Frühstück wünschen durfte. Nette Bullen waren das!

UND DANN UNVERMITTELT UND UNGEFRAGT:

DIE LEUTE VON DER AFD SIND ARSCHLÖCHER. ICH KANN DIE NICHT AUSSTEHEN. HIER IM ORT KENNE ICH EINEN, DER DIE WÄHLT ECHT EIN IDIOT.

Das, liebe Leserinnen, lässt doch etwas hoffen für die Wahl in Brandenburg am 22. September … die Hoffnung stirbt zuletzt.

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/fkk/splitter-und-balken-ii/

aktuell auf taz.de

kommentare