vonFred Hüning 28.02.2024

FKK – Foto, Kunst & Kapriolen

Fred Hüning, Fotograf & Tagedieb, sitzt in einer einsamen Blog-Hütte im Brandenburgischen und schreibt und fotografiert für sein Blog-Buch.

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Trifft ein Fotograf eine Bildhauerin entstehen seltsame Dinge wie etwa ein Betonbaby … aber zunächst die nackten Fakten:

Die Produzentengalerie Galerie M in Potsdam (Charlottenstraße 122) präsentiert in zwei Ausstellungen die Ergebnisse des künstlerischen Projekts „diversity practice, Werkstatt der Generationen“. Der zweite Teil ist vom 16. Februar bis zum 17. März 2024 zu sehen mit diesen Künstler*innen-Tandems:

Anna Werkmeister – Adam Sevens

Anne Eichhorn – Gudrun Sailer

Erika Stürmer-Alex– Jenny Alten

Ina Abuschenko – Ute Postler

Ines Schaikowski – Fred Hüning

Hier ein Auszug aus der Pressemitteilung zur Ausstellung:

20 Brandenburger Künstler:innen haben sich auf ein ungewöhnliches künstlerisches Experiment eingelassen: Sie arbeiteten mit Partner:innen zusammen, die nach dem Zufallsprinzip ermittelt wurden, um ein gemeinsames Kunstwerk herzustellen. Dazu wurden im Losverfahren zehn Tandems zusammengestellt, deren Beteiligte verschiedenen Generationen angehören. Die Mitwirkenden entwickelten während einer sechswöchigen Arbeitsphase eine gemeinsame Fragestellung in Bezug auf ihre
Zusammenarbeit und daraus resultierend eine gemeinsame künstlerische Arbeit. Der jüngste am Projekt beteiligte Künstler ist 32 Jahre alt, die älteste Künstlerin 85 Jahre.
Die Zusammenarbeit erfolgte nach von den Tandems individuell definierten Regeln, meist in direkten analogen oder digitalen Treffen, in denen das gemeinsame Kunstwerk entstand. Die entstandenen Gemeinschaftswerke gehören unterschiedlichsten künstlerischen Genres an: Malerei, Skulptur, Installation, Fotografie, Zeichnung, Video. Ein Paar entschloss sich zum „Blind Date“ ohne direkten Kontakt und bezog die Grundlagen für das gemeinsame Werk aus Informationen über den jeweils anderen aus dem Internet. 

Und eben dieses Paar möchte ich hier vorstellen

Es handelt sich um: die Bildhauerin Ines Schaikowski und wieder mal den ominösenVdZ (Verfasser dieser Zeilen) aka Fotografierender Tagedieb Fred Hüning! Das zufällige Zusammentreffen einer Nähmaschine und eines Regenschirms auf einem Seziertisch (Lautréamont) war es zwar nicht, aber immerhin das semi-zufällige (ausgeloste) Zusammentreffen einer Fotokamera und einem Sack Plastikwegwerfartikel in einer Betonmischmaschine. Von Ines Schaikowski kam das überzeugende Konzept BLIND DATE – BLIND WORK – BLIND RESULT. Wir haben also nur geschaut, was es über den Anderen im Internet zu finden gab und dann einen gemeinsamen Andockpunkt gesucht, um unabhängig von einander im Verborgenen zu schaffen (BLIND WORK eben). Ines arbeitet gerne mit billigen Plastikwegwerfartikeln wie z.B. Strohhalmen, die sie dann in Beton giesst.

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Ich arbeite – seit meinen Studien zu den Grundfarben ROT, GELB und BLAU –  ebenfalls gerne mit schön buntem Plastikmüll. So wusste ich ziemlich schnell, wohin die Reise ins Unbekannte gehen sollte und entwickelte die Arbeit 450 JAHRE. Ines hingegen hat sich inspirieren lassen durch mein Foto eines DDR-Klettergerüstes in den Farben Rot, Gelb und Blau, wie sie noch überall in Brandenburg vor sich hin rosten in ihrer einmaligen Schönheit. Ines ist in der DDR aufgewachsen und verbindet daher mit diesen Klettergerüsten echte Kindheitserinnerungen. So hat sie Ansichten dieser Klettergerüste in schwarz-weiss fotografiert (bzw. aus dem Netz gefischt) und ausgedruckt. Die Drucke hat sie in den Grundfarben von Hand koloriert. Das in Beton gegossene Plastikbaby ist mir allerdings ein Rätsel geblieben (Ines hat sich dazu noch nicht geäußert), eine blinde Stelle sozusagen (was ja wieder zum Konzept passt).

© Fred Hüning / Ines Schaikowski

Hier mein Konzept von 450 JAHRE:

Inspiriert von der Aussage von Ines Schaikowski „Mit meinen Arbeiten beobachte ich die Beziehung zu unseren materiellen Lebensbedingungen, besonders zu Alltagsgegenständen und Wegwerfartikeln“ sowie ihren Arbeiten mit farbigen Strohhalmen aus dem Werkkomplex HYBRIDE HEIMAT habe ich meine eigenen Experimente mit den Grundfarben Rot, Gelb und Blau weitergeführt und bin dabei auch – wie Schaikowski – ins Dreidimensionale übergegangen.

Was mich z.B. an Billigsaftplastikflaschen interessiert, ist die Diskrepanz zwischen meinem Wissen um die extreme Umweltschädlichkeit von Plastikmüll (eine Plastiktüte braucht laut Angaben des NABU 20 Jahre bis sie zerfällt, eine Plastikflasche sogar 450 Jahre) und meinem künstlerisch-ästhetischen Empfinden (ich finde sie wunderschön).

Meine Arbeit hat noch eine zweite, ironische Ebene: wenn eine Plastikflasche 450 Jahre hält, wie lange überdauert dagegen eine künstlerische Arbeit / ein künstlerisches Werk? Wenn ich also wertlosen, aber Jahrhunderte überdauernden Plastikmüll als Kunst deklariere, schwingt darin nicht ein bisschen die Hoffnung mit, die eigenen künstlerischen Werke (die – zumindest was den Kunstmarkt betrifft – ebenfalls wertlos sind) würden etwas von deren Langlebigkeit „abbekommen“?

 

 

THEORIE (Installationsentwurf) © Fred Hüning / Ines Schaikowski (10 kolorierte DIN A 4 – Drucke / ein Betonbaby)

 

… UND PRAXIS (Installationsansicht) © Fred Hüning / Ines Schaikowski (10 kolorierte DIN A 4 – Drucke / ein Betonbaby)

 

 

 

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