vonFred Hüning 21.11.2024

FKK – Foto, Kunst & Kapriolen

Fred Hüning, Fotograf & Tagedieb, sitzt in einer einsamen Blog-Hütte im Brandenburgischen und schreibt und fotografiert für sein Blog-Buch.

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Der bbk Brandenburg mit seiner rührigen Geschäftsführerin Petra Schmidt Dreyblatt hat wieder einmal in kürzester Zeit eine Ausstellung aus einem aktuellen Anlass – 35 Jahre Mauerfall nämlich – aus dem Boden gestampft, die sich im Wortsinne sehen lassen kann.

Die Ausstellung unter dem Titel AUFBRUCH/ UMBRUCH läuft noch bis zum Monatsende in der Galerie M (Charlottenstr. 122, 14467 Potsdam) und zeigt 11 Positionen, von denen ich hier zwei (Künstlerin-Künstler/ Ost-West / jünger-älter) starke Arbeiten vorstellen und somit wärmstens empfehlen möchte:

Die in West-Berlin aufgewachsene JENNY ALTEN war 12 Jahre alt, als die Mauer fiel. Das erlaubt ihr einen wesentlich unbefangeneren Blick auf das Thema als den der teilweise wesentlich älteren und in der DDR sozialisierten KünstlerInnen. Jenny hat sich mit den Hundelaufanlagen an den Grenzanlagen der DDR beschäftigt. Diese wurden (Zitat aus dem Statement der Künstlerin) „ab Anfang der 1960er Jahre als Ersatz und Ergänzung für Selbstschussanlagen und Minenfelder installiert. Eine Laufleinenanlage besteht aus einem zwischen zwei Böcken gespannten Drahtseil, dem Laufseil. Daran hängt, mit einer Laufrolle oder einem Ring verbunden, die Laufleine des Hundes.

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Da sich die Laufstrecke des nächsten Hundes unmittelbar anschließt, die Hunde aber nicht aufeinandertreffen dürfen, sind vor dem jeweiligen Ende des Laufseils Stopper oder Seilklemmen angebracht“. Jenny Alten hat eine solche Anlage in Miniatur nachgebaut und an das Drahtzeil ein Plüschhündchen aus asiatischer Billigproduktion gehängt. Wenn man dem Tier auf den Kopf haut, setzt er sich für zwei Minuten zappelnd unter nervtötender Plastikmusik in Bewegung und bewacht seine Grenze, die an der Wand durch ein Archiv-Foto präsent ist. Also DDR-Kritik süss-sauer oder was? Ich weiß es auch nicht. Aber Anschauen lohnt sich. Ist jedenfalls hängen geblieben bei mir und das ist doch das beste Argument für eine gelungene Arbeit.

Der in Potsdam geborene LOTHAR KRONE war 1989 bereits 37 Jahre alt. Kurz vor dem Fall der Mauer wurde er nach sieben vergeblichen Versuchen und der damit verbundenen künstlerischen Isolation endlich in den DDR-Künstlerverband aufgenommen.

Die Gründe für die ständige Ablehnung konnte er später In seiner Stasi-Akte nachlesen „Da er sich politisch nicht für die DDR engagiert, wurde K. nicht zum Hochschulstudium zugelassen. Ausdruck seiner Haltung ist auch, dass K. in der Vergangenheit Nichtwähler war und sich künstlerisch vornehmlich an westlichen Vorbildern orientiert.“
1989 wurde seine Arbeit „Bilderkreuz“ von einer staatlichen Jury für die Potsdamer Bezirkskunstausstellung mit dem Thema „Der Zustand der DDR“ ausgewählt und ausgestellt. Die nun nach 35 Jahren wieder in Potsdam ausgestellte Arbeit besteht aus fünf großformatigen Einzelbildern in schweren, leicht rostigen Eisenrahmen, die zu einem Kreuz formiert gehängt sind. Den Fuß des Kreuzes bildet ein düsteres Selbstportrait, darüber endzeitliche Steintürme und Stahlskelette. Von der Ästhetik her durchaus ein Werk dieser Zeit. Nicht nur die Eisenrahmen lassen zum Beispiel an Michael Schmidts WAFFENRUHE denken – was by-the-way ein großes Kompliment für Krone ist. Was mich an dieser Arbeit aber am meisten rührt, ist der Umstand, dass er diese im Wortsinne schwere, unhandliche und platzaufwendige und – das vermute ich jetzt einfach mal ganz naiv – wenig ausgestellte und wenig nachgefragte Arbeit 35 Jahre aufbewahrt hat. Das beweist mal wieder: Je dringender, je drängender eine Arbeit für einen Künstler ist, je mehr Herzblut er in einem Werk vergiesst, desto mehr kann der Funke auch auf den Betrachter überspringen und diesen in Flammen setzen.

ALSO: BITTE UNBEDINGT NOCH ANSCHAUEN!

HIER DIE INFOS ZUR AUSSTELLUNG:

Ausstellung AUFBRUCH/ UMBRUCH
8. November – 30. November 2024
Annhoff (Mixed Media), Jenny Alten (Installation), Roland Eckelt (Malerei), Klaus Fahlbusch (Fotografie), Andrea J. Grote (Fotografie), Michael Heyers (Skulptur), Corinne Holthuizen-Habermann (Zeichnungen/Notizen), Sabrina Jung (Fotografie), Karsten Kelsch (Malerei), Lothar Krone (Malerei), Conrad Ufer (Malerei)

Mi – Fr: 11 – 17 Uhr
Sa: 12 – 16 Uhr

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