vonElisabeth Wirth 11.03.2009

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In der Woche, in der ich eine neue Wohnung vorbereitete und eine alte Wohnung nachbereitete, beides in Hinsicht auf einen Umzug, fand in einer ganz anderen Ecke Deutschlands ein Umzug statt, mit dem der Berliner allenfalls gar nichts anfangen kann. Mit Jecken und Marienmädchen, hat der allgemeine Berliner nichts am Hut und ist froh, wenn der Rheinische Frohsinn ein Ende hat und kein nätnät, nätnät, nätnät ertönt, sobald er den Fernseher einschaltet.

Mit der anderen Art von Umzug, jene die von umziehen, also Wohnungswechsel kommt, kennt er sich gut aus, der Berliner. So scheint es zumindest. Schneidet man irgendwo das Thema umziehen an, erklingt ein Chor von Renovierungsgeschichten, Geschichten von neuen Wohnungen, alten Wohnungen, Umzugsplänen, Wohnungssuchen, Hausverwaltungen, Wohnungsfinden, Einrichtungsideen und Einrichtungsumsetzungen. Das ist ähnlich, wie wenn man anfängt über Krankheiten, Unfälle oder eklige Wunden zu reden.

Zum 1. März bin ich also umgezogen und wäre ich es nicht, die jetzt in dieser tollen Wohnung wohnt und lebt und arbeitet, würde ich eins empfinden und zwar Neid. Jetzt wo der Malermarathon vorbei ist, Möbel und Kisten verschleppt wurden und Regale angebracht sind, Bilder hängen und Kisten wieder ausgepackt sind. Jetzt wo alles schön ist und der Schmerz vergangen. Schmerz, weil Renovieren körperliche Arbeit ist. Wenn man mit so kleinen Frauenhänden wie den meinen malert (ich kann Handschuhe bei H&M in der Kinderabteilung kaufen), dann führt das dazu, dass man seine Hände nicht mehr zu spüren glaubt. Hinzu kommen als Begleiterscheinungen (und ich möchte betonen kein Einzelfall zu sein) Verspannungen im Rückenbereich und Muskelkater. Aber mit hilfsbereiten Freunden und einigen John Sinclair Folgen, hat man vor den Schmerzen auch etwas Spaß.

Was hat man im Laufe der Jahre schon gelernt. Malern und lackieren sind inzwischen zur Kinderübung geworden, ebenso, wie die leidigen Abklebearbeiten, professioneller Umgang mit Farbe, spachteln (und wissen wohin mit der verbleibenden Spachtelmasse – niemals ins Klo), tapezieren ist immer noch eine Herausforderung, wurde dennoch schon des Öfteren gemeistert. Wenn der Abfluss eines Waschbeckens leckt, dann liegt es wahrscheinlich, wie ein Blick zeigt, daran, dass ein Waschmaschinenzugang offen ist. Nicht zu vergessen, das Zusammenbauen diverser IKEA-Möbel – ohne Wutanfall.

Nur an große Maschinen wie Bohrer traue ich mich nicht heran, auch wenn zaghafte Annäherungsversuche inzwischen der Vergangenheit angehören. So kam es, dass ein stattlicher Kerl, mein Vater, zum Anbringen von Regalen und Drahtseilen beordert wurde. Und wieder was dazu gelernt. Fashion/ Couture/ Klamotten und Bohrungen haben etwas gemeinsam. Nach jedem Loch, was in die Wand gebohrt wurde, sagte mein Vater, sitzt, sitzt, ach, sitzt nicht, sitzt, sitzt, der sitzt nicht. Denn zum Befestigen von Brettern und Regalen bedarf es gut gebohrter, sitzender Löcher. Auch die schönsten Klamotten sehen doof aus, wenn sie nicht sitzen. So macht man Frauen Laune auf Heimwerkern.

Ein Bekannter hat in seiner neuen Wohnung voller Enthusiasmus im Flur fleißig Löcher gebohrt, um Regale anzubringen. Altbauwände sind mitunter tricky. Aufgrund der Wandstruktur, sind die Löcher zu groß für die Dübel. Ich habe gelernt, was in solch einem Fall zu tun ist. Löcher zuspachteln (es gibt auch so Betongips für sicheren Halt) Dübel gleich rein, trocknen lassen und Regal anbringen. Voilá. Willkommen im neuen Heimwerker-Blog der „taz“.

Soviel dazu. Jetzt, nach dem Umzug bin ich erledigt. Erschöpft möchte ich meinen. Nur leider stellt sich Entspannung nicht immer ein, wenn man nach ihr ruft. So gehe ich also spazieren am Maybachufer und Weigandufer, power mich beim Schaukeln auf dem Spielplatz am Weichselplatz aus. Von wegen, diese Art Spaß ist nur was für Kinder. Schokolade schmeckt ja auch noch dann, wenn man die Grenze zur Volljährigkeit überschritten hat. Im Reuterkiez, da hat sich viel getan und tut sich viel. Im „Rudimarie“ (Weichselstr.) führen die Kinder ihre Eltern aus, bezahlen dürfen aber die Großen. Im „Vögel und Fische“ in der Pannierstraße gibt es unglaublich leckeres Arabisches Essen und den, ich möchte behaupten, weltbesten Apfelkuchen.

Die Nachbarn im Haus sind nett, nur nachts muss man aufpassen, dass man im Dunkeln im Hof nicht über die Spielsachen stolpert. Auch wenn der Mensch ein Gewohnheitstier ist, habe ich mich sofort umgewöhnt. Als mich am 2. März jedoch der Auftritt von „The Fuck Hornisschen Orchestra“ (Großartig!) in den Prenzlauer Berg führte, musste ich mich auf der Rückfahrt kurz daran erinnern, nicht am Kotti auszusteigen. Mein neuer/ alter, weil schon mal da gewesen, Bahnhofshafen ist nun der Hermannplatz. Nur die Lichtschalter in der neuen Wohnung suche ich noch manchmal.

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