vonBlogwart 09.04.2011

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KriegsberichterstatterInnen diskutieren über die Berichtmethode „embedded journalism“

Von Alexander Kohn

Bettina Gaus. Foto: Fiona Krakenbürger
Bettina Gaus. Foto: Fiona Krakenbürger

„Man braucht nicht zwingend einen Helm, um ‚embedded journalism‘ zu praktizieren“, sagt Bettina Gaus, politische Korrespondentin der taz. Diese umstrittene Reportagemethode beschränke sich nicht nur auf das Begleiten von Soldaten, sondern könne auch beim Berichten über zivile Organisationen in Krisengebieten eingesetzt werden. Dabei sind ReporterInnen nicht auf eigene Faust unterwegs, sondern eingebettet in eine Gruppe von Soldaten oder Einheimischen, gegebenenfalls mit Sicherheitspersonal. In den Worten des britischen Kriegsberichterstatters Stephen Grey: „Man ist total abhängig von jemandem, der einen herumführt, Interviewpartner vermittelt und zu bestimmten Orten eben nicht mit einem geht.“ Deshalb wird am „embedded journalism“ kritisiert, dass ein Mendienmensch in nur einer der Konfliktparteien komplett eingebunden ist, kurz: Propagandaverdacht.

Grey, der als „embedded journalist“ britische Soldaten unter anderem im Irak und in Afghanistan begleitet, beschreibt die Herausforderungen dieser Arbeit: „Das Militär möchte den Krieg gewinnen und weiß natürlich, dass die Öffentliche Meinung dabei eine Rolle spielt – aber es ist die Aufgabe des Reporters, die Wahrheit zu finden.“ Die Methode verdanke ihren Namen bloß der Art des Zugangs der ReporterInnen zu den kritischen Gebieten, es sei ihnen aber möglich, betont der freie Journalist, die eigenen Erlebnisse in einen größeren Kontext zu stellen und ausgewogen zu berichten. Moderator Niels Kadritzke von „Le Monde diplomatique“ wirft ein, dass Grey seine Reportagen oft in Wir-Form schreibt: „Das impliziert doch Zugehörigkeit zur Gruppe der Soldaten und Sympathie, kann man da noch objektiv berichten?“ Das „Wir“, erwidert Grey, richte sich vor allem an die Rezipienten seiner Berichte in Medien wie der BBC oder der New York Times, um sie ständig daran zu erinnern, dass nicht nur die Regierungen verantwortlich seien für die Kriegseinsätze, sondern dass jeder einzelne Wähle eine Mitverantwortung dafür trage. Deshalb berichte er darüber, warum „wir“ diese Stadt genommen haben oder was „wir“ dadurch erreichen wollen. Er wolle nicht nur Kriege in der Ferne porträtieren, sondern auch meist junge Briten und ihre extremen Erfahrungen dabei. „Ich identifiziere mich mit dem britischen Militär, so einfach ist das.“

Foto: Fiona Krakenbürger
Foto: Fiona Krakenbürger
Dies sei keine Voraussetzung um „embedded journalism“ zu betreiben, kontert Bettina Gaus, politische Redakteurin der taz, und erzählt von davon, wie sie deutsche Soldaten im Feld begleitete: „Ich bin nicht verantwortlich dafür, was die Bundeswehr tut. Ich spreche mich ständig dagegen aus.“ Die Berichte von eingebetteten Journalisten seien immer mit Vorsicht zu genießen: „Zum Beispiel Fernsehinterviews mit KorrespondentInnen vor Ort vermitteln oft den Eindruck, dass sie dort mitten im Geschehen stehen und alles miterleben, dass sie die Ereignisse aus allen Perspektiven beleuchten.“ Doch es sei sehr schwer die Positionen aller Beteiligten ausgewogen wiederzugeben, eben wegen der Beschränkungen, die diese Methode mit sich bringe. Auch Grey äußert sich kritisch über Berichte zu aktuellen Konflikten vor allem in der arabischen Welt: „Es ist peinlich wie stark es vielen BerichterstatterInnen der westlichen Medien an kritischer Haltung mangele.“ Oft offenbare sich eine unreflektierte Kontrollraummentalität, die auf fürchterliche Bilder mit einem interventionistischen Impuls zu reagieren neige – ohne potentielle negative Konsequenzen militärischer Interventionen seriös zu beleuchten.

Wie kommen eingebundene ReporterInnen denn eigentlich an Informationen von den feindlichen Akteuren? Oft durch einheimische Kontaktleute und Journalisten, erläutert Grey, mit denen man sich etwa in einschlägigen Bars treffen könne. „Diese Leute machen oft die Drecksarbeit, gehen große Risiken ein und werden meist nicht in den Berichten gewürdigt, obwohl sie regelmäßig wichtige Informationen beisteuern.“ Grey fordert, dass sie für ihre Arbeit angemessener entlohnt werden und ihnen auch mehr Schutz gewährt werde. Eine konstante Anspannung sei Teil dieses Berufes antwortet er auf eine Frage aus dem Publikum. Wie er sich abends während seiner Einsätze entspanne? „Kriegsfilme wirken komischer Weise oft beruhigend auf mich.“ Auch in einem Camp der US-Army in Afghanistan, das den Spitznamen „incoming“ trage, da es oft von Taliban beschossen werde, habe er ähnliches erlebt: Während einige Soldaten abends noch „draussen“ unterwegs waren, spielten andere am Computer bereits Krieg in virtuellen Wüsten. Bald möchte Grey wieder in Afghanistan und Pakistan unterwegs sein – als „embedded journalist“. Aber: „Ich mache nicht nur Kriegsreportagen. Doch die Erfahrungen die ich dabei mache ermöglichen es mir, auch bei Recherchen zu anderen Themen schärfer und härter nachzuhaken.“

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