Am 27. September 2020 wurde der Krieg im Südkaukasus neu entfacht. Es geht wieder um die Region Karabach, u. a. das Gebiet Bergkarabach. Die Bergkarabach-Region sowie sieben umliegende Provinzen wurden noch in den 90er Jahren des letzten Jahrhunders durch armenische Truppen besetzt. Heute befinden sich immer noch armenische Truppen auf dem aserbaidschanischen Territorium, weshalb die aktuellen Gefechte auch auf dem aserbaidschanischen Gebiet stattfinden. In Bezug auf diesen Konflikt wurden bereits mehrfach Beschlüsse von diversen internationalen Organisationen angenommen, in denen eindeutig bestätigt wurde, dass sich die armenischen Truppen rechtswidrig auf aserbaidschanischem Boden aufhalten und dass sie Aserbaidschan bedingungslos verlassen müssen. Die Weltgemeinschaft sowie Politiker blieben jedoch über die letzten 30 Jahre hinweg unfähig, diesen Konflikt friedlich zu lösen. In der UN-Charta gibt es bei auftretender Aggression einen Mechanismus, der zur Verhängung wirtschaftlicher und politischer Sanktionen auffordert. Bis heute wurden gegen Armenien aber keine Sanktionen verhängt.
Deutsche Politiker nehmen auch Stellung zu diesem Konflikt
Als Mitglied der Minsker Gruppe der OSZE reagiert auch Deutschaland sofort auf die jüngsten Gefechte. Der deutsche Außenminister, Heiko Maas, rief beide Seiten zum Waffenstillstand auf und forderte die Wiederaufnahme der Verhandlungen. Des Weiteren wurde auf estnische und deutsche Initiative eine UN-Sicherheitsversammlung bezüglich der Konfliktlage in der Karabach-Region einberufen. Aserbaidschan hat bereits in einigen Stellungnahmen seinen Wunsch bekundet, dass eines der Ko-Vorsitzenden Länder der OSZE durch Deutschland ersetzt wird, mit der Hoffnung, dass sich Deutschland neutraler verhalten wird.
Auch einige deutsche Politiker haben unter Verweis auf das Völkerrecht Stellung zur aktuellen Situation genommen. Die Vorsitzende der Südkaukasischen Parlamentarier Gruppe, Barbara Hendricks (SPD), betonte in ihrem Interview mit der Deutschen Welle: „Das größte Problem ist, dass Armenien sich weigert, gemäß den Bestimmungen des Internationalen Völkerrechts zu handeln. Dieses ist auf der Seite Aserbaidschans“.
Der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Abgeordnete, Sergey Lagodinsky, hat sich in seiner Äußerung gegenüber der Deutschen Welle auch auf das Völkerrecht bezogen: „Nagornyj Karabach wird von keinem Land, u. a. auch nicht von Armenien, anerkannt. Alle sind damit einverstanden, dass es aserbaidschanisches Territorium ist.“ Herr Lagodinsky hat in seiner Äußerung Bergkarabach eine „starke kulturelle Autonomie“ eingeräumt.
Eine Vertreterin der Fraktion DIE LINKE, Helin Evrim Sommer, ging in ihrer Presseerklärung auch auf die rechtlichen Grundlagen des Konflikts ein und forderte die Implementierung der „Madrider Basisprinzipien“, die dazu aufrufen, dass sich armenische Truppen aus Bergkarabach und den umliegenden Bezirken zurückziehen müssen. Des Weiteren soll eine Sicherheitsgarantie für die armenische Bevölkerung Bergkarabachs gegeben und der Rückzug der über 750.000 aserbaidschanischen Binnenvertriebenen in ihre früheren Wohnorte ermöglicht werden, so Helin Evrim Sommer.
Es gab auch subjektive Stellungnahmen
Es gab jedoch einige deutsche Bundesabgeordneten, die eine eher subjektive Haltung eingenommen haben. Diese lobbyieren armenische Interessen oder betreiben antitürkische Rhetorik. Besonders auffallend waren in diesem Zusammenhang die Stellungnahmen von Albert Weiler, Sevim Dagdelen, Heike Hänsel, Cem Özdemir und Till Mannsmann. All die gerade aufgeführten Politiker haben etwas gemeinsam: Sie möchten über den Bergkarabach-Konflikt eine Politik gegen den türkischen Präsidenten Tayyip Erdogan betreiben, um im Jahr 2021 bei den geplanten Bundestagswahlen die Stimmen der Wähler zu gewinnen. Es handelt sich allerdings um äußerst fragwürdiges Verhalten, wenn man als Politiker bei einem Konflikt ganz klar nur eigennützige Ziele verfolgt – anstatt sich für das Völkerrecht zu positionieren. Frau Hänsel forderte zum „Rückzug der aserbaidschanischen Truppen“ auf, während sich die Aserbaidschaner doch auf dem eigenen Territorium befinden. Hier war keine Rede vom Völkerrecht.
Der Vorsitzende des Deutsch-Armenischen Forums, Albert Weiler (CDU), lobbyiert im Bundestag die armenischen Interessen. Herr Weiler, dessen Name bei einem ARD-Doku-Film mit dem Titel „Paten in Deutschland“ genannt wurde, bei dem armenische kriminelle Strukturen in Deutschland behandelt wurden, hat in einem Facebook-Post Aserbaidschan wegen der Verletzung des humanitären Rechts scharf kritisiert, weil auf der armenischen Seite Zivilisten ums Leben gekommen waren. Herr Weiler hat in diesem Zuge jedoch nicht erwähnt, dass auf der aserbaidschanischen Seite ebenfalls viele Zivilisten getötet wurden (Stand heute, 01.10.2020: 17 Opfer).
Der andere Lobbyist der armenischen Interessen in Deutschland, Cem Özdemir (DIE GRÜNEN), hat beide Seiten zum „Verhandlungstisch“ aufgefordert und die Gelegenheit genutzt, um Erdogan zu kritisieren: „Erdogan zündelt trotz der historischen Schuld der Türkei gegenüber Armenien“. Herr Özdemir hat dabei wahrscheinlich vergessen, dass Bergkarabach nicht während Erdogans Amtszeit von den armenischen Truppen besetzt wurde und der wieder aufflammende Konflikt mit der Türkei überhaupt nichts zu tun hat. Gleichzeitig fehlt bei der Aussage des liberalen Politikers die Aufforderung zum Rückzug der armenischen Truppen aus den aserbaidschanischen Territorien.
Bei der gemeinsamen Erklärung von Albert Weiler und Till Mansmann (FDP) wird erneut Aserbaidschan wegen des „Beschusses der Stadt Stepanakert“ kritisiert, wobei die Bombardierung der aserbaidschanischen Siedlungen völlig außer Acht gelassen wird.
Die Bundesabgeordnete der Fraktion DIE LINKE, Sevim Dagdelen, ging noch einen Schritt weiter, indem sie Aserbaidschan beschuldigte, „islamistische Söldner aus Syrien und Lybien einzubeziehen“. Eine vernünftige Quelle dazu fehlte dennoch. Selbst die Artikel von The Guardian, Reuters oder BBC, die in ihren Publikationen über mögliche Kämpfer auf aserbaidschanischer Seite schrieben, weisen darauf hin, dass diese Informationen weiterhin unbestätigt sind.
Bei diesem Konflikt geht es auch um Menschenrechte
Die aufgeführten deutschen Politiker, die eine subjektive Haltung einnehmen, haben noch etwas gemeinsam: Fast alle kritisieren lautstark die aserbaidschanische Regierung wegen der Menschenrechtslage. Es ist prinzipiell deren gutes Recht, die aserbaidschanische Regierung zu kritisieren. Sie vergessen dabei aber, dass beim Konflikt um Bergkarabach eine Mio. Aserbaidschaner als Binnenvertriebene aus dem eigenen Land und Flüchtlinge aus Armenien geworden sind. Sie haben wahrscheinlich auch vergessen, dass es in Bezug auf diesen Konflikt bereits die Resolutionen der UN aus dem Jahr 1993 gibt, die zum Rückzug der armemischen Truppen auffordern. Wieso ist davon nicht die Rede? Es ist nicht spät, um das eigene Verhalten zu korrigieren!
Asif Masimov hat Internationale Beziehungen und Politikwissenschaften studiert. Er ist Doktorand im Fach Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er bloggt auf masimovasif.net zu historischen und politischen Themen rund um Deutschland, Aserbaidschan und Russland.
Der Konflikt um Bergkarabach berührt mich tief, da er nicht nur eine Frage von geopolitischen Interessen ist, sondern auch das Leben und die Rechte vieler unschuldiger Menschen betrifft. Es ist erschreckend, wie oft Menschenrechte in solchen Konflikten in den Hintergrund geraten. Die betroffenen Zivilisten leiden am meisten, während politische Akteure ihre Machtspiele austragen. Wir dürfen nicht vergessen, dass es hier um echte Menschen geht, deren Rechte auf Leben, Freiheit und Sicherheit massiv eingeschränkt werden. Es braucht dringend internationale Aufmerksamkeit und eine Lösung, die den Frieden und die Menschenrechte in den Vordergrund stellt.