vonSabine Schiffner 23.08.2024

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Sabine Schiffner dichtet und denkt über sich und andere nach.

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Wir treffen uns auf halber Strecke: In Osnabrück am Markt. Dort ist ein kleines Café, gleich neben dem St. Petrus Dom. Petrus ist der Schutzheilige der Päpste. Außerdem schützt er die Metzger, Glaser, Schreiner, Schlosse, Schiede, Gießer, Uhrmacher, Töpfer, Maurer, Ziegelbrenner, Steinweber, Netzhauer etc., lese ich. Heute will ich mich dort neben dem Dom mit Jan, treffen, einem Freund und Komponisten, mit dem ich vor drei Jahren eine Hörspiel-CD über den ehemaligen Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde Düsseldorf, Herbert Rubinstein, gemacht habe. https://griot-verlag.de/meine-vier-leben.html Jan hat mir vorgeschlagen, wieder eine Hörspiel-CD zu machen, diesmal zum Thema “Otto Pankok und die Sinti”.

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Sowohl den Sinti als auch den jüdischen Menschen hier in Deutschland hat weder Petrus, der selber Jude war, noch kaum jemand sonst geholfen. Angehörige beider Gruppen wurden verfolgt und vernichtet und werden heute immer noch angefeindet, hier in meinem Deutschland. Sowohl Sinti als auch jüdische Menschen werden, wenn es um das Dritte Reich, um Gaskammern und Massenmord geht, in einem Atemzug genannt.

Aber von den Sinti ist eigentlich wenig die Rede. Wenig ist bekannt in Deutschland über Sinti und ihre Situation. In der Schule haben wir nie darüber gesprochen, dass es schon seit Jahrhunderten in Deutschland ansässige Sinti gibt, die deutsche Namen tragen und sich als Deutsche fühlen.

Dass mich das Thema der Sinti interessiert, hat vor allem mit einem Abend am Hansagymnasium in Köln zu tun, der im Jahr 2017 stattfand und bei dem meine Tochter und einige ihrer Mitschüler*innen von einer Fahrt nach Auschwitz berichteten. Gleichfalls anwesend war Philomena Franz, eine damals siebenundneunzigjährige Auschwitzüberlebende Sintezza, die aus einer sehr angesehenen deutschen Musikerfamilie stammte und uns von ihren grauenvollen Erlebnissen in Auschwitz und Buchenwald berichtete. Das habe ich nie vergessen.

Auch nicht vergessen habe ich, dass ich während meiner vielen Aufenthalte in Istanbul auch immer wieder auf Roma traf, die dort unter sehr erbärmlichen schlechten Verhältnissen leben, muslimischen Glaubens sind, aber sich am Rande der Gesellschaft aufhalten, ohne die Möglichkeit einer Veränderung. Und nicht vergessen habe ich die Roma in der Ukraine, die ich dort bei einer Reise im Jahr 2019 sah. Sie wirkten damals auf mich frei und so unabhängig, obwohl sie bestimmt auch nicht viel zu lachen hatten. Aber wie es ihnen heute wohl ergeht?

Viele sind auf der Flucht vor dem Krieg nach Deutschland gekommen, habe ich gelesen. Manchmal sehe ich sie in der Innenstadt vor den Hauseingängen sitzen, spätabends, frühmorgens, wenn noch keine Käufer unterwegs sind. Diese Menschen aus der Ukraine wurden wohl nicht aufgenommen von deutschen Familien und in geräumigen Wohnungen untergebracht.

Ich bin froh, dass wir ein Projekt machen können, mit dem auf die Situation der Sinti in Deutschland hingewiesen wird. Und zwar auf ihr Leben in der Zeit Ende der zwanziger Jahre bis hin zum Holocaust, bei dem ein großer Teil von ihnen in Lagern umgebracht wurden. Genaue Opferzahlen gibt es (seltsamerweise) nicht. Von den 40 000 registrierten deutschen und österreichischen Sinti wurden aber ungefähr 25000 im Holocaust ermordet, die meisten von ihnen in Auschwitz, im so genannten “Zigeunerlager”.

In den nächsten Wochen werde ich mich mit diesem Thema beschäftigen und erst einmal ganz viel lesen. Denn zur Einstimmung habe ich von Jan zwei große Taschen voller Literatur über Otto Pankok und die Sinti bekommen. Otto Pankok (1893.1966) war ein Maler des Expressionistischen Realismus, der in Düsseldorf gelebt hat. Er hat sich mit den dort lebenden Sinti angefreundet, sie porträtiert und sich sehr für sie eingesetzt.

Im Zug zurück von Osnabrück habe ich schon in den Büchern geblättert und mir die Menschen angesehen, die er abgebildet und für die Ewigkeit festgehalten hat. Es sind großartige Bilder, Bilder, die zu Verständnis auffordern und dazu, das an den Sinti geschehene große Unrecht wiedergutzumachen. Ich hoffe, dass uns das mit unserem Projekt ein wenig gelingen wird!


Anmerkung der taz Blogs Redaktion: Das Stigma „Zigeuner“ reproduziert eine antiziganistische Gewaltgeschichte. Im vorliegenden Text wird der Ausdruck verwendet, um einen historischen Namen zu benennen und dadurch auffindbar zu machen. Für gewöhnlich ist es sorgsam, die Schreibweise „Zi******“ zu verwenden. Weitere Informationen zum Antiziganismus: amaroforo.de

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