vonSabine Schiffner 05.06.2025

fremdeln

Sabine Schiffner dichtet und denkt über sich und andere nach.

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Das hier sind Schlangenfrüchte. Ich habe so etwas noch nie gesehen, die Haut sieht tatsächlich aus wie die von einer Schlange. Auch die kleinen grünen Orangen, köstlich schmeckend, sehen ganz anders aus als Zitrusfrüchte in Europa und schmecken ein wenig wie parfümiert. Die winzigen Kugeln dort, die man öffnet wie Schlangenfrüchte und dann pellt, schmecken wie kleine Litschis. Und die Mangos, die es hier in mindestens fünf verschiedenen Sorten gibt, haben auch eine lokale Sorte, die klein und grün ist und fast herbe schmeckt, was angenehm ist, da die anderen so überaus süß sind. Klein sind die Früchte und Gemüse in Sabah, dem Teil von Borneo, in dem wir jetzt sind. Auch die Wassermelonen sind winzig.

Und die sehr kleine sehr alte Frau auf dem Markt berührt meinen Arm und drückt ihn und lacht mich an, um mir zu zeigen, dass sie es gut meint und sich wundert, dass es so große blonde Menschen gibt wie mich und ich lache zurück und freue mich über die Berührung. Von Berührungsängsten weiß man hier nicht viel, das ist in anderen muslimischen Ländern anders, muss ich denken. Jede(r) lacht einen freundlich an, dauernd bekommt man Komplimente zu hören und ist als Europäer hier in Borneo eine wirklich seltene Spezies. Die Gäste in unserem Hotel mit seiner fantastischen Aussicht auf die Inseln sind fast ausschließlich Koreaner, Chinesen und asiatische Australier. Die Bedienungen allerdings sind fast ausschließlich junge und sehr junge Malai*innen. Wo man auch hinkommt, wird man extrem freundlich willkommen geheißen. Hinkommen zu Fuß ist allerdings schwierig.

Hier fährt so gut wie jeder mit dem Auto und Trottoirs sind Mangelware. Also bestellen wir uns auch ein Taxi, über die App Grab, die hier jede(r) benutzt, der/die kein Auto hat und werden für umgerechnet 1 Euro eine ganze Strecke rumgefahren. Ich muss daran denken, wie der Taxifahrer, der uns vor unserer Reise in Bremen abgeholt hat, als erstes 4,80 Euro einstellte, bevor er losfuhr… “ Die Leute in Borneo fahren immer mit ihren Autos, wenn sie irgendwo hinwollen und fahren lieber fünf Minuten und parken dann entfernt und gehen noch eine Viertelstunde zu dem Ort wo sie hinwollen, als zehn Minuten „nur“ zu Fuß zu gehen“, wird uns erklärt.

Anhalten für Fußgänger gibt es so gut wie gar nicht, die Leute fahren einfach weiter, was das Überqueren erschwert. Ich passe sehr auf beim Überqueren der Straßen wegen des Linksverkehrs und denke dabei immer an den Dichter Rolf Dieter Brinkmann, der beim Überqueren der Straßen in London so vom Auto erfasst wurde, dass er dabei seinen Kopf und damit sein Leben verlor.

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Am Morgen gehen wir von unserem Hotel aus in Richtung des Meeres, wo die Markthallen eine große Vielfalt an Gemüse, Obst und frischen Meeresfrüchten und Fischen und aber auch getrockneten Fischen und anderen Meerestieren wie z. B. Seepferdchen bereit halten. Ob man die essen kann? Der konstanten Tagestemperatur von 35 Grad wegen riecht es hier sehr stark.  Daneben sind Hallen mit engen schmalen Gängen, die voller Kleider hängen. Jeder hier gibt von alleine Discount, man braucht gar nicht danach zu fragen. Vor jedem Gang sitzt auf der Straße ein Mann mit einer alten Nähmaschine mit Tretantrieb und wartet auf Kunden, die Änderungswünsche haben. Das erinnert mich ein wenig an Mexico-City, wo in der Nähe des Zócalo die Schreiber mit ihren alten Schreibmaschinen auf Kunden warteten, die sich Briefe schreiben ließen.

Ich gehe weiter zum Obststand, und dort interessiere ich mich vor allem für die Mangos und die lokalen Obstsorten und kaufe von jeder ein Exemplar, um sie nachher im Hotel zu probieren. Später dann fahren wir mit einem Taxi in Richtung des Strandes am Shangri Lar-Ressort, wo wir den Sonnenuntergang beobachten wollen. Die Sonne geht hier gegen 18.30h ziemlich schnell unter und gegen 7.30h ziemlich schnell auf. Und das ist wohl das ganze Jahr über so, genauso wie die Tagestemperatur von 35 Grad. Eigentlich sollte es heute zwischendurch mal regnen und der Himmel war ab Mittags bewölkt, aber dann blieb es doch trocken.

Im Wasser sind keine Schwimmer zu sehen, nur unzählige Standuppaddler. Daran schuld sind wohl die hier ansässigen Krokodile. Das Leistenkrokodil, das von den Australiern liebevoll „salti“ genannt wird und das sich im Salzwasser wohler fühlt als in Süßwasser, tötet pro Jahr in Malaysia 1-2 Menschen und weltweit 1000. Am Strand sind Schilder, die darauf hinweisen, dass die große und gefährliche Spezies, die sich paddelnd über große Entfernungen treiben lässt und die monatelang ohne Essen auskommt und extrem aggressiv ist, unbedingt zu meiden sei. Wohl auch deshalb sind hier alle Menschen auf Surfbretter bzw. Standupppaddlern im Wasser unterwegs. Das finde ich ziemlich mutig. Denn die Krokodile könnten sich bestimmt den einen oder anderen am Fuß packen und von seinem Brett ziehen. Trotzdem sind hier bestimmt 150 Leute in den leichten Wellen.

Das sieht hier so aus wie man es von den alten Bildern kennt, sagt mein Mann, als hier noch nur Malaien waren und täglich zum Fischen aufs Meer hinausfuhren mit ihren flachen Booten. Er hat recht, muss ich denken und auch, dass es seltsam ist, dass sich in dieser Hinsicht wenig geändert hat. Zum Fischen fährt hier allerdings noch kaum jemand hinaus, habe ich gelesen, weil die Gewässer um Borneo herum komplett leergefischt sind. Aber die Sehnsucht danach, sich auf flachen Booten auf dem Meer hin- und herschaukeln zu lassen, ist wohl immer noch sehr verbreitet.

Es ist immer noch heiß und so gehen wir große unreife grüne Kokosnüsse kaufen. Die Kokosnüsse werden von einer Familie verkauft, die vlt. 7jährige Tochter sucht eine besonders schöne Nuss für mich aus, ihr Vater öffnet sie mit einem Beil und ich stecke den Strohhalm in die Flüssigkeit und trinke und bin glücklich; genau so exotisch hatte ich mir das Leben hier vorgestellt.

Da eine Regenwand aufzieht, ordern wir per App ein Taxi. Während wir warten, kommt ein kleiner dünner braungebrannter Junge auf nackten Füßen daher. Er möchte Geld haben und wir geben ihm welches. Kaum hat er es an sich genommen, kommt ein größerer Junge hinter ihm her, entreißt ihm das Geld und läuft davon. Eine wilde Verfolgungsjagd beginnt. Wir sehen den beiden nach, bis sie verschwunden sind und fahren dann zur letzten Station unseres Tages, die uns der überaus nette Hoteldirektor Ruben empfohlen hatte: „Welcome Seefood“.

Das von Chinesen geführte Lokal, das sich über viele Räume erstreckt, ist proppevoll. An großen runden Tischen sitzen ganze chinesische Familien mit Kindern und Großeltern und essen kleine und große Hummer, Krabben und Krebse. Das ist ein lustiges Gewusele! Wir dürfen erst einmal zu den Aquarien gehen und zeigen, was wir haben wollen, nehmen Hummer, die in großen Wasserflaschen stecken, als habe man sie dort aufgezogen und riesige Austern, die gegrillt serviert werden. Und trinken dazu Tigerbier, das in großen Flaschen daherkommt und in kleinen Gläsern getrunken wird. Und wir lachen die Chinesen um uns herum an und die Chinesen lachen uns an und wir sagen abends, als wir wieder im Hotel sind und dort begeistert willkommen geheißen werden, dass wir uns hier in Sabah so richtig wohl fühlen.

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