vonSabine Schiffner 25.09.2024

fremdeln

Sabine Schiffner dichtet und denkt über sich und andere nach.

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Schon seit mehreren Jahren diskutiere ich vor allem mit den Männern meiner Generation (Babyboomer) immer wieder über Veganismus. Manchmal ist es so, als wenn sie diesen als Angriff empfinden würden. Sie sind derzeit ja sowieso sehr empfindlich. Insbesondere empfinden sie das Gendern oft als Angriff gegen ihre Personen.

Am Wochenende war ich zum ersten Mal in meinem Leben auf einer Veggie-Hochzeit. Ich sage jetzt ganz bewusst Veggie-Hochzeit, denn eigentlich sind die beiden Brautleute so gut wie Veganer. Interessanterweise sind sie auch aus der Generation der Babyboomer. Auch in meiner Generation gibt es also Männer, die nicht gerne Fleisch essen. Der Bräutigam strickt sich sogar seine Kleider selber. Damit ist er aber ein ziemlicher Außenseiter und wird wohl von den meisten Babyboomermännern für kurios gehalten. Die Hochzeitseinladung enthielt keinen Hinweis auf das Vegane Büfett. Als kleines Zugeständnis gab es auf dem Büffet aber immerhin auch ein Gericht mit Käse. Ob die Mousse au Chocolat, die es zum Nachtisch gab, mit Kichererbsen gemacht war, weiß ich nicht.

Vor ein paar Wochen habe ich zum ersten Mal eine Mousse gegessen, die mit Kichererbsenwasser anstelle Ei gemacht war und deshalb vegan war. Sie schmeckte mir gut. Die Hochzeitstorte jedenfalls war vegan, sie war groß und sah toll aus, echte Blumen, die essbar sein sollten, schmückten sie. Aber die Torte schmeckte mir nicht gut. Bei Torten bin ich immer kritisch. Bei der letzten Hochzeit, auf der ich eingeladen war, habe ich selber eine vegane Torte für das Brautpaar angefertigt, das auch zu den Babyboomern gehört, aber seiner Kinder wegen einige vegane Gäste hatte. Seitdem weiß ich, dass auch vegane Torten gut schmecken können. Mein Nachbar steckte sich auf der Veggie-Hochzeit die ganzen Rosenblüten tapfer in dem Mund und meinte: Ein bisschen bitter ist das schon!

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Ich mag Fleisch, aber ich sympathisiere auch mit den Veganern, aus Gründen von Klimaschutz und Tierwohl. Also habe ich immer ein schlechtes Gewissen, wenn ich Fleisch esse. Meine Freundin Zeynep, die in der Türkei sehr engagiert ist beim Schutz der Straßentiere, ist auch keine Veganerin, aber neuerdings immer mit Veganer*innen zusammen, weshalb sie beschlossen hat so zu tun, als wenn sie kein Fleisch mehr äße. Alles andere gibt nämlich permanent Ärger mit ihnen, hat sie mir vorhin, als ich ihr von der veganen Hochzeit erzählte, berichtet! Meine Freundin Zeynep mag ebenso wie ich sehr gerne foie gras. Ich esse sie eigentlich immer, wenn ich in Frankreich bin, in Deutschland ist sie schwer zu bekommen. Ich dachte schon eine ganze Weile, dass man sie in Deutschland gar nicht mehr bekommen kann, hier dürfen jedenfalls keine Gänse gestopft werden.

Aber gestern wurde ich in ein französisches Restaurant eingeladen, in dem es foie gras gibt, wie ich im Vorhinein auf der Karte gesehen hatte. Als wir an dem Restaurant ankamen, wunderten wir uns, dass hier, in der piekfeinen Villengegend, ein ganzer Pulk von dunkel angezogenen Menschen vor der Tür stand. Schon von weitem hörten wir eine Stimme durchs Megafon: In diesem Restaurant wird Gänsestopfleber verkauft… oje! Wir waren mit dem Fahrrad da und mussten durch die Demonstranten hindurchgehen, um unsere Fahrräder abzustellen. Ein wenig seltsam fühlte ich mich schon. Müsste ich mich nicht eigentlich hier draußen zu den Demonstrant*innen stellen und auch skandieren, für Tierwohl und gegen Gänsestopfleber? Andererseits: Wenn in Frankreich dagegen demonstriert würde, müsste das auch in den dortigen Vielhundert LIDLs und Carrefours passieren und vor allen anderen Supermärkten und unzähligen Restaurants auch, denn man bekommt sie dort wirklich überall. Hatte mir nicht meine Tochter, die ein Stipendium an der Sorbonne hatte, berichtet, dass die Französ*innen alle keine Vegetarier*innen sind? Und hatte ich nicht nach der Hochzeit von einer teilnehmenden Studentin, die in Cambridge studiert, erfahren, dass dort auch so gut wie niemand Vegetarier*in ist?

Und ich hatte mich doch so sehr gefreut auf die heutige Essenseinladung….

Wir waren ein wenig zu früh und gingen deshalb noch einmal auf die Straße zu den Demonstrant*innen, die weiter durch ihr Megafon berichteten, warum man dieses Restaurant boykottieren sollte. Auf den Zetteln, die sie verteilten, zeichneten “Metzger gegen Tiermord” und “Ostfriesen gegen Tierleid” verantwortlich. Na prima! Wir gingen wieder zurück und durch ihre Reihe und stiegen die Treppe zum Restaurant hoch, das sich im Haus des französischen Generalkonsuls befindet, der natürlich  auch ein Mann der Babyboomergeneration ist, wie ich nachlas, seit Generationen im Weinhandel tätig.  Ob der wohl dafür gesorgt hat, dass es hier Foie gras gibt?

Im Foyer wurden wir sehr charmant begrüßt, man lächelte dort über die Demonstration. Die demonstrieren einmal im Monat, sagte uns der Mann, der uns die Jacken abnahm, dafür holen sie sich vorher eine Genehmigung ein. Alles nach Recht und Ordnung hier in Deutschland, musste ich denken und auch, was wohl Zeynep dazu sagen würde, die mich am nächsten Tag, als ich ihr davon erzählte, als erstes fragte, wieviel Polizisten dabei waren und ob die Demonstranten eingesperrt wurden, wie es in der Türkei der Fall gewesen wäre. Hier bei uns in Deutschland kommt wegen so etwas nicht die Polizei und erst recht niemand in den Knast, sagte ich ihr. Dass hier in Deutschland sehr viele Personen ohne Fahrschein in den Knast kommen, sagte ich ihr aber nicht.

Wir setzten uns gestern dann nach dem Empfang an einen Tisch mit schönstem Blick in den Garten. Der Kellner brachte die Karte. Da stand sie schon, bei den Vorspeisen, die Foie gras, ich glaube, eine Portion kostete 29,50Euro. Ich hatte aber jetzt keinen Appetit mehr darauf. Ich nahm mir vor, hier in Deutschland nie wieder Foie gras zu essen.

Was ich hingegen bei meinem nächsten Besuch in Frankreich machen werde, wo niemand sich über Foie gras aufregt, das will ich jetzt hier nicht endgültig entscheiden.

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