vonDaniel Erk 12.10.2009

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Auch hier im Hitlerblog wird von Kommentatoren immer wieder das Klischee des humorlosen, verkrampften und auf Reparationszahlungen versessenen Juden gezeichnet – gerade so, als hätte nicht Mel Brooks, ein US-amerikanischer Jude, eine der witzigsten Parodien über das Dritte Reich und seine Rezeption geschrieben und gedreht. Kurzum: Das so konstruierte Klischee, man dürfe ja nicht frei über das Dritte Reich und den Holocaust sprechen, müssen in Sack und Asche gehen und Witze über den Massenmord an Juden, Sinti, Romas, Schwulen, Lesben, Sozialdemokraten und Kommunisten wären jenseits von Gut und Böse, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit ein antisemitisches. Und ein uninformiertes zudem.

Ein sehr hübsches, sehr treffendes, gemeines und witziges Beispiel dafür liefert einmal mehr das fabelhafte US-amerikanische Magazin Heeb:

Was passiert hier? In diesem Photo des Photographen Bradley Meinz zeigt die jüdisch-US-amerikanische Komikerin und Schauspielerin Roseanne Barr, ausgestattet mit Hakenkreuzbinde und Hitlerbart, ein Ofenladung verbrannter Weckmänner vor. Mehr Dritte-Reich-Symbolik in ein Bild zu quetschen ohne wirklich einen Kommentar zu Historie zu machen geht eigentlich nicht.

Joshua Neuman von Heeb äußerte sich zu den Bildern, die naturgemäß große Irritationen auslösten, folgendermaßen:

Heeb is a satirical Jewish culture magazine that interrogates stereotypes and ideas (hopefully in creative ways) that many hold sacred in order to represent the complex and nuanced perspectives that many Jews have about their identities (…)

Virtually every pitch we received leading up to the publishing of our Germany Issue circled back to the Nazis and the Holocaust and almost all of them were humorous in nature. Naturally, our editors couldn’t help but wonder whether something new was happening in the culture— whether the taboo against joking about the Holocaust and the Nazis exerted as much power as it used to. Certainly Jews have been joking about the Holocaust since the Holocaust (I believe it was the Warsaw Ghetto where the Jewish inhabitants referred to Hitler regularly as “Horowitz”), but these jokes have largely been uttered in private or underground. In recent years, they have been finding themselves in the most public of conversations.

Seinfeld’s “Soup Nazi” is as much a part of American culture (and Jewish culture, specifically) as Fiddler on the Roof, and Curb Your Enthusiasm’s “Survivor” episode is about as controversial as a Christmas Day screening of Annie Hall. And the trend seems to only gather momentum.

Die Diskussion unter diesem Kommentar ist ebenfalls aufschlussreich: Man Kommentatoren geben sich sehr unreflektiert und selbstgerecht – andere zweifeln das an und dekonstruieren die behaupteten Tabus und überschrittenen Grenzen.

Man muss die bisweilen zum Selbstzweck provokante Art von Heeb nicht mögen. Man muss das, was Roseanne Barr von sich gibt, nicht gut finden (schon gar nicht wenn sie Israel ohne jede Begründung als “Nazistaat” beschimpft) – aber dieses dumme Gerede von den verkrampften israelischen, US-amerikanischen oder deutschen Juden, dass kann man bei klarem Verstand und erwachsener Aufrichtigkeit angesichts dieses Umgangs mit der Geschichte nicht weiter betreiben. Was dagegen notwendig ist: Eine klare, fundierte Debatte darüber, wie man mit dem Dritten Reich historisch, semiotisch, symbolisch und moralisch umgehen will, wenn die Zeugengeneration gestorben ist. Als Deutsche, als Juden, als Menschheit.

(Danke, Sascha)

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