vonDetlef Guertler 03.05.2009

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Schon lange denke ich darüber nach, wie man Kassandra neutral benennen könnte: Eine Kassandra sieht ja alles Unheil voraus, nur ist sie mit Apollons Fluch behaftet, so dass niemand ihren Weissagungen Glauben schenkt. Heute kam ich drauf, als ich bei Nouriel Roubini die Liste jener Ökonomen (ja, sogar Wirtschaftsjournalisten sind darunter) las, die wie er selbst rechtzeitig auf einen oder mehrere jener Aspekte hingewiesen hatten, die sich zur aktuellen 2. Weltwirtschaftskrise zusammenballten:

Robert Shiller was one of the earliest ones to study in detail and warn about a housing bubble;
Kenneth Rogoff and a few other economists warned early on about the unsustainability of the US current account deficits and of the global imbalances;
Raghu Rajan presented one of the earliest and sharpest analyses of the agency problems and incentive distortions deriving from  compensation schemes in financial institutions; Nassim Taleb and a few other finance scholars stressed the risk of fat tail extreme events in financial markets;
Paul Krugman was the father of currency and financial crisis theories in international macro as at least three generations of currency crisis models were developed from his seminal work;
Stephen Roach, David Rosenberg and a few other financial sector analysts warned about the shopped-out, saving-less, bubble-addict and debt-burdened US consumer;
Niall Ferguson provided vivid comparisons between historical episodes of financial crises and current vulnerabilities;
Hyun Shin and other scholars in academia provided early modeling of illiquidity and of the perverse effects of leverage during asset bubbles;
William White and his colleagues at the BIS were among the first – following the scholarship of Hyman Minsky – to analyze how the “Great Moderation” may  paradoxically lead to “Financial Instability”, asset and credit  bubbles and financial crises;
Gillian Tett and a few other journalists at the Financial Times provided early clear explanations of the arcane complexity of credit derivatives and structured finance and of the systemic risks deriving from these new exotic financial instruments.

Sie alle (Hervorhebungen vom Wortisten) dürften als Unken, Schwarzseher oder Kassandren verlacht worden sein. Und wie müsste man sie heute nennen? Frühwarner! Es gibt Frühwarnsysteme in jedem nur denkbaren Bereich von Wirtschaft und Gesellschaft – aber funktionieren können sie nur, wenn die richtigen Menschen am richtigen Ort daraus die richtigen Schlüsse ziehen und die richtigen Entscheidungen treffen. Und dafür brauchen wir eben Frühwarner.

Für Naturgefahren wurde in Deutschland im vergangenen Jahr ein „Wiki der Frühwarner“ eingerichtet. Ob das funktioniert und eine sinnvolle Einrichtung ist, habe ich nicht geprüft. Für ökonomische Gefahren wäre es schön, wenn man hierfür kein Wiki einrichten müsste, sondern die traditionellen Wirtschaftsmedien diesen Job machen könnten. Sonst braucht man sie nämlich nicht mehr.

P.S.: Hatte ich eigentlich schon von jenem Chefredakteur eines jener traditionellen Wirtschaftsmedien erzählt, dem ich im Sommer 2007 dringend riet, die Subprime-Krise als richtig großes Thema zu fahren? „Die hatten wir doch schon auf dem Cover“, antwortete er.

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