Teil 1 unseres Fußball-WM-Song-Rückblicks findet sich hier: 1974 & 1978.
Teil 2 unseres Fußball-WM-Song-Rückblicks findet sich hier: 1982 & 1986.
Es ist eine Schande: Nicht einmal die Engländer nehmen nun einen offiziellen WM-Song auf – dabei hätten die noch den wenigsten Grund sich zu schämen! Ob „World In Motion“ (1990), „Three Lions“ (1996) oder „Jerusalem“ (2000) – im Gegensatz zu den deutschen Katastrophen konnten die Briten immerhin ab und an einen wirklich guten Song zum Turnier veröffentlichen.
WM 1990: “Wir sind schon auf dem Brenner” – Udo Jürgens
In Deutschland wurde die Tradition bereits 1998 abgeschafft – die ersten vier WM-Songs haben wir schon ausgiebig beleuchtet und treffen im Jahr 1990 einen alten Bekannten wieder: Udo Jürgens!
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Bereits 1978 durfte Jürgens mit dem grässlichen „Buenos Diaz Argentina“ – im Gegensatz zur Nationalmannschaft – immense Erfolge feiern. Bizarr auch dass es sich mit dem zweifachen Jürgens nun bereits um das dritte von fünf WM-Lieder handelt, bei dem ein Österreicher die deutsche Nationalmannschaft aufs Sangesfeld führt.
Im Gegensatz zu seinem 78er Meisterwerk der Hörereinschläferung hat Jürgens ungefähr vier Gänge zugelegt und einen flotten Schwof mitgebracht, was auch durch die rote Rockerlederjacke bereits stilistisch signalisiert wird – aber dafür singt er einen selbst für Fußballsongs, ja, sogar für Schlagerlieder, faszinierend schlichten Refrain: „Wir sind schon auf dem Brenner / wir brennen schon darauf / wir sind schon auf dem Brenner / ja, da kommt Freude auf“. Die Strophen tun ihr übrigens, damit sich das Harlekinhafte der damaligen deutschen Trikots auch in den Texten widerspiegelt („Drum nichts wie hin, hinter uns liegt der Inn und vor uns liegt der Po.“). Homoerotische Scherze, die sich beim Fußball ja oft anbieten (Blurs Alex James: „Football? It’s a big gay bar, isn’t it?“), verbitten wir uns an dieser Stelle. Hollahihollaho, fürwahr!
Schön aber, dass das bereits 1986 eingeführte Motiv „Nationalspieler hält Instrument in der Hand und tut so als würde er darauf spielen“ (wir erinnern uns: Toni Schumacher und seine Trompete) auch 1990 wieder aufgegriffen wurde. Wir sehen den guten Pierre Littbarski zwar im Gegensatz zu 1986 ohne Sombrerohut und Pancho, aber dafür mit Akustikgitarre sowie Klaus Augenthaler mit rasselesquem Instrument in der Hand.
WM 1994: „Far Away In America“ – The Village People
Wer dachte schlimmer geht’s nimmer konnte natürlich nicht ahnen, wer für das folgende Turnier verpflichtet wurde. Das Thema „Homoerotik im Fußball“ wurde für die WM 1994 konsequent zu Ende gedacht und die schwulste Band der Musikgeschichte verpflichtet: Village People – die noch dazu den Vorteil hatten, nicht aus Österreich zu kommen.
Village People – Far Away In America – MyVideo
Immerhin gelang den Nationalspielern ein Novum: zum ersten Mal sehen die Gaststars alberner als die Spieler aus. Anders verhält es sich beim Thema „rhythmisches Mitklatschen“, bei dem die Herren Fußballer weiterhin am unteren Ende der Evolutionsleiter stehen bleiben.
Nicht viel besser ist überraschenderweise das Faust-in-die-Luft-strecken ausgeprägt. Obwohl Thomas „Icke“ Häßler und Michael „Susi“ Zorc bereits vor der eigentlichen Schlußfaust üben und sich zunickend auf den passenden Zeitpunkt einigen (3:28), verpassen sie ihren Einsatz am Ende dennoch. Auch dass Lothar Matthäus einmal Schwierigkeiten mit der englischen Sprache bekommen würde, konnte man schon bei „Far Away In America“ erkennen. Viel mag der gute Lothar bei 3:09 singen, aber der eigentliche Text kann es mit Sicherheit nicht gewesen sein.
Andererseits verwundert es nun nicht mehr, dass Andi Möller während seiner aktiven Zeit desöfteren ohne Gegnerberührung hingefallen ist – wenn er so gut laufen wie klatschen konnte (ab 1:05), dann ist es ein Wunder, dass er so selten auf dem Boden lag. (Christian Ihle)