von 11.03.2010

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Das war sie, die Aussage auf die alle gewartet haben. Erhitzt diskutierten die zahlreichen anwesenden Medienvertreter in der Pause des Prozesses gegen den „Drogenarzt Garri R.“ (Bild) Wortlaut und Inhalt der zentralen Stelle in der von Garri R. verlesenen Erklärung.

Der sagte: „Ich habe auf schreckliche Weise feststellen müssen, dass ich die Arbeit mit solchen Substanzen völlig falsch eingeschätzt habe. Fehler sind beim Umgang mit solchen Substanzen immanent und das kann nicht verantwortbar sein“ (Wiedergabe des Wortlauts differiert je nach Medium) Deshalb würde er ganz sicher nie wieder illegale Substanzen verabreichen, so der Arzt.

Damit schwört Garri R. der psychotherapeutischen Arbeit mit Drogen ab, weil, sinngemäß, Fehler immer passieren können. Klingt erstmal sehr einsichtig, so einsichtig wie man es der Atomindustrie nur wünschen könnte, die ja ähnlich funktioniert. Allerdings können auch bei Operationen am offenen Herzen, der Strafverfolgung, sowie auf dem Medienmarkt Fehler passieren, die Schicksale zerstören können. Sich deshalb von allen drei zu distanzieren, hat bisher noch niemand verlangt.

Auch wenn die Entsagung Garri R.s den Medienvertretern sehr wichtig ist, der Prozess (Fortsetzung Montag) soll vor allem die Frage verhandeln, inwiefern ein Arzt, der Drogen ausgibt, überhaupt mehr Verantwortung übernimmt als ein Dealer. Denn für zweiteren sind tödliche Fehlurteile bisher straffrei, wie die Verteidigung aufzeigt.
Die Anklage würde hingegen lieber Wert auf die Frage legen, inwiefern in diesem Fall die Regeln der ärztlichen Kunst verletzt wurden. Die Verteidigung gibt sofort klein bei: Man sei sich einig, dass Garri R.s Handeln an dem Todestag seiner beiden Patienten, mit den Regeln der ärztlichen Kunst nur wenig zu tun habe, im Übrigen gehöre diese Fragestellung aber in einen Zivilprozess.

Was ist eigentlich passiert? Am 19.9. vergangenen Jahres hat der Arzt und Psychotherapeut Garri R. im Rahmen einer Therapie-Intensiv-Gruppe mit 12 Personen erst eine Runde Methylon (auch „Neocor“, ähnlich MDMA „aber besser um Entscheidungen zu befördern“, so der Psychotherapeut), je 150 bis 200 Milligramm, und dann, zwei Stunden später, noch eine Runde MDMA, je 120 bis 150 Milligramm, ausgeteilt. Für sich selbst gab es dazu ein Fitzelchen LSD, denn das macht ihn „offener, aufmerksamer und einfühlsamer“, sagt Garri R.. Knapp eine Stunde nach dem letzten Konsum starb der erste Patient an Multiorganversagen durch eine Überdosis MDMA, so die Anklage. Der Tod des zweiten trat am Abend im Krankenhaus ein.

Die meisten Internetratgeber zur Psychonautik würden hier zwei Regeln verletzt sehen: 1. Der Guide bleibt nüchtern. 2. Nachdosieren ist doof. Lieber erst den Rausch voll durchleben und verarbeiten und dann, Wochen später, das Event noch einmal voll auskosten. Gerade bei zwei Drogen, die in die gleiche Richtung zielen, ist eine unvorhergesehene Potenzierung der Effekte möglich.

Oder doch nur technisches Versagen?

So, wie sich die Lage im Prozess derzeit darstellt, ist es allerdings auch möglich bis wahrscheinlich, dass die Waage, mittels der die Substanzen verteilt wurden, nicht richtig funktionierte. Garri R. befand die Häufchen trotz mehrmaligen Abwiegens als ungewöhnlich groß, besänftigte sich aber mit dem Verdacht auf eine ungewöhnliche Körnung der Stoffe. Das ist, würde ich sagen, dann mal eher das Problem der Politik. Denn legal verordnete Substanzen müssen zum Glück nicht von Psychotherapeuten auf LSD zuhause abgewogen werden, sondern kommen als klar beschriftete Tabletten.

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