Die europäische Futtermittel-Industrie FEFAC und ihre Helfer beim europäischen Bauern- und Genossenschaftsverband Copa/Cogeca sehen Hunger und Elend an Europas Türen klopfen, falls die Europäische Union nicht endlich ihre eigenen Gesetze aufgibt: Weil Soja-Lieferungen aus den USA mit einem Gentechnik-Mais verunreinigt waren, der in der EU nicht zugelassen ist, durften Frachter mit einer Ladung von 180.000 Tonnen Soja nicht gelöscht werden. Dahinter steckt ein grundsätzliches Problem: Soll die EU das Prinzip, dass gentechnisch veränderte Organismen nur dann in die Union eingeführt werden dürfen, wenn sie hier auch zugelassen sind, aufrechterhalten oder sich dem wachsenden Druck aus den USA beugen, die der Meinung sind, dass Europäern nicht schadet was bei ihnen zugelassen ist.
In dem jüngsten Fall geht es um einen Gentechnikmais von Monsanto mit dem etwas prosaischen Namen MON88017. Er ist nicht nur mit einem Insektengift aus der Familie des Bacillus Thuringiensis (Bt) bestückt, sondern zudem gegen Monsanto’s “Roundup”-Pestizid resistent. Diese spezielle Kombination dieser beiden “events” ist bisher von der EU nicht zugelassen, auch wenn die jeweiligen Komponenten in anderen GVOs für den Import seit längerem legal ist. “Stacking” heißt die Methode, bei der keine neuen gentechnischen Eigenschaften, sondern eine Kombination bereits vorhandener Genkonstrukte in einer Sorte zusammengeführt werden.
Der kanadische Globe and Mail widmet dem Problem heute einen ausführlichen Artikel: “Smartstax“, der neueste Mais von Monsanto enthält gleich acht verschiedene Gentechnik-Konstrukte. Eine ganze Kaskade von Insektengiften (unterschiedliche Bt Varianten) und die obligatorische Resistenz gegen das Totalherbizid “Roundup”.
Das Problem mit Smartstax ist: Zwar wurden Sicherheitsstudien zu den einzelnen Komponenten, die es enthält, erstellt. Doch auf eine Untersuchung des gesamten Gentechnik-Coctails haben sowohl die Herstellersteller (Monsanto und Dow Chemical) als auch die Sicherheitsbehörden in Canada und den USA verzichtet. Die Hypothese, dass das Umweltverhalten und auch die Zusammensetzung und damit gesundheitliche Unbedenklichkeit von Smartstax nichts als die Summe seiner Einzelteile sei, ist allerdings wissenschaftlich kaum haltbar. Interaktionen zwischen den Konstrukten, unerwünschte und unvermutete Nebeneffekte sind nach dieser Additions-Logik nicht feststellbar. Eine Sprecherin von Monsanto erklärte, “Smartstax” werde die Grundlage künftiger Gentechnikmais-Produkte sein, d.h. beispielsweise auch die versprochene Dürre-Verträglichkeit von Monsanto wird es nur als neunte Zusatzeigenschaft geben. Nach Europäischem Recht dagegen muß jede einzelne Gentechnikpflanze auf ihre Umwelt- und Gesundheitsrisiken hin untersucht werden. Das ist zwar sinnvoll, kann aber dauern.
Weil Europas Tiermäster zu 80% von Proteinimporten aus Übersee abhängig sind, wovon mit 9,1 Milliarden Euro Soja aus USA, Brasilien, Argentinien und Paraguay am deutlichsten zu Buche schlägt, ist die Fleischindustrie tatsächlich relativ erpressbar. Missernten in Südamerika, wo Monsanto’s allerletzten GVOs noch nicht eingesetzt werden, erhöhen den Druck. In einem Papier vom Juli diesen Jahres, behauptet die FEFAC, die Prinzipientreue der EU könne bis zu 20 Euro pro Tonne Soja kosten. Das wären knapp 7& zu aktuellen Sojaschrotpreisen. 3,5 bis 5 Milliarden Euro Verluste stünden zu befürchten, falls die US-Ernte nicht zur Verfügung stünde.
Die Frankfurter Rundschau berichtet heute von weiteren Verunreinigungen, etwa in Hundefutter. Sie zitiert ausserdem einen Futtermittelhändler, der die Verunreinigungen (wie kommt der Mais in die Soja?) für eine gezielte Attacke auf die EU-Regelungen hält und darauf verweist, dass über die verunreinigte Charge schon diskutiert wurde, als sie noch gar nicht in Europa angekommen war.
EU-Agrarkommissarin Fischer-Boel hatte sich schon vor einem Monat für die Einführung von “Toleranz-Schwellen” stark gemacht: Geringe Verunreinigungen bis 0,1% müßten künftig auch mit illegalen GVOs möglich sein, meinte sie. Damit scheiterte sie allerdings bisher an der Mehrheit der EU-Minister. Auch im eigenen Haus ist der Vorschlag nicht umumstritten. Agrarheute.com schickte deshalb unlängst einen offenen Brief an die ebenfalls zuständige Verbraucherkommissiarin Vassiliou, der eine Abkehr vom Legalitätsprinzip bisher nicht einleuchten mochte.
Wenn das so weitergehe, schimpfte die EU-Kommisarin und Schweinehalterin Fischer-Boel aus Dänemark, müsse die EU bald Fleisch statt Viehfutter importieren. Man fragt sich freilich was daran so schlimm wäre: Statt 10 kg Futter 1 kg Fleisch zu importieren wäre möglicherweise nicht nur ökologisch sinnvoller, sondern auch ökonomisch.Nebenbei könnten gewaltige Subventions-Summen für die “Veredelungsindustrie” eingespart werden, deren Fleischfabriken weitgehend unabhängig vom lokalen Ackerbau Kraftfutter aus Überseee in “deutsche” Schweine, Rinder und Hähnchen verwandeln. Denkbar wäre freilich auch ein heimischer Anbau des nötigen Futters.
Die “technische Lösung”, an der innerhalb der EU-Kommission derzeit gebastelt wird, sieht freilich gänzlich anders aus: Man könne ja vielleicht die Genauigkeit der vorgeschriebenen Tests einfach etwas dämpfen, heisst es da. Damit würden dann “Spuren” von 0,1% schlichtweg nicht mehr erfaßt.
Unserem Aufmacher-Bioferkel geht die ganze Gentechnik-Soja-Schrot-Diskussion übrigens regelrecht am A… vorbei: Es darf ohnehin nicht mit solchem Schweinkram gefüttert werden.