Die zunehmend chaotische Regierungsführung in der Demokratischen Republik Kongo bleibt nicht ohne Konsequenzen. Wie heute aus Brüssel und Kinshasa gemeldet wird, veschiebt sich die Umsetzung des im Prinzip längst vereinbarten Schuldenerlasses für den Kongo auf 2011.
Dies belastet den Staatshaushalt der Demokratischen Republik Kongo um 430 Millionen Dollar Auslandsschuldendienst, fällig dieses Jahr, auf deren Streichung Kinshasa gezählt hatte, nachdem am 1. Juli 2010 das Land in das Schuldenerlassprogramm HIPC/PPTE der internationalen Finanzinstitutionen (Weltbank und IWF) aufgenommen worden war. Die Streichung des Schuldendienstes werde nun auf 2011 verschoben und auch dann erneut geprüft, sagte am vergangenen Dienstag Belgiens Entwicklungsminister Charles Michel. Grund sei die schlechte Wirtschaftsführung, besonders im Bergbau.
„Schuldenerlass auf 2011 vertagt: Schwerer Schlag für Muzito“ titelte Kinshasas angesehenste Tageszeitung Le Potentiel gestern unter Verweis auf Kongos Premierminister Adolphe Muzito, der seit Amtsübernahme 2008 die Sanierung der Staatsfinanzen zu seinem Hauptziel erklärt hat. „Der Jubel vom 1. Juli 2010 löst sich in Rauch auf“, so das Blatt.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Kongos gesamte Auslandsschuld betrug Ende 2009 11 Mrd. US-Dollar, bis Mitte 2010 etwas mehr. Der am 1. Juli vereinbarte Schuldenerlass, der wie immer in HIPC-Programmen die Streichung von 80 Prozent der Gesamtschuld vorsieht, bedeutete eine unmittelbare Entlasung in Höhe von 7,9 Mrd. Dollar, die über die gesamte Laufzeit 12,3 Mrd. Dollar wert sein würde. Kongos Auslandsschuld würde sich damit laut IWF noch im Jahr 2010 auf weniger als 4 Mrd. Dollar reduzieren und in den Jahren darauf nur sehr langsam wieder ansteigen. Dies würde viel Geld freimachen, die Kongos Regierung in die Umsetzung ihres mit den Geldgebern schon vor Jahren vereinbarten Armutsbekämpfungsprogramms stecken könnte. Der fällige Schuldendienst 2009 betrug 439 Millionen Dollar, von denen allerdings nur 201 Millionen bezahlt wurden; 2010 liegt er bei 430 Millionen, von denen Kinshassa gehofft hatte, gar nichts mehr bezahlen zu müssen. Jetzt aber ist dieses Geld fällig und belastet bei der zu erwartenden Nichtzahlung die Auslandsschuldenlast weiter, anstatt dass diese sinkt.
Die Geldgeber reagieren damit auf eine Reihe undurchsichtiger Entscheidungen im Bergbau- und Ölsektor. In den letzten Wochen hat die Regierung in Kinshasa mehrere Verträge mit bewährten Rohstoffinvestoren aus Kanada und Großbritannien in Katanga und Ituri annulliert und die Kupfer- und Ölvorkommen zu schlechteren Bedingungen Firmen aus Kasachstan und Südafrika zugeschanzt – die südafrikanische Firma zahlte dafür Provisionen in Millionenhöhe und es wird vermutet, dass die damit verbundenen neuen Joint-Ventures Einzelpersonen im Umfeld des kongolesischen sowie des südafrikanischen Präsidenten nützen. Schon im Juni war daher der Schuldenerlass auf Unverständnis in einzelnen westlichen Hauptstädten gestoßen, besonders im kanadischen Ottawa. Der IWF selbst hatte im begleitenden Bericht zur Schuldenerlassentscheidung massive Kritik an der kongolesischen Wirtschaftspolitik geübt, und Kritiker vermuteten im Schuldenerlass eine politische Geste pünktlich zu den Feiern zu Kongos 50. Unabhängigkeitsjahrestag am 30. Juni 2010.
Die Stornierung des Schuldenerlasses ist nun nicht weniger politisch. Sie soll den Druck auf Kinshasa erhöhen, in Sachen Investitionssicherheit in der Rohstoffförderung einzulenken. Das würde auch den Kongolesen nützen. Die kuriosen Vorgänge in Katanga belasten Kongos Volkswirtschaft schwer, denn in Katanga erwirtschaftet Kongos Staat den Großteil seiner Staatseinnahmen außerhalb der Im- und Exportbesteuerung. Das im September verhängte Verbot des Bergbaus im Ostkongo war ein zusätzlicher Schlag gegen die Erholung der kongolesischen Wirtschaft und die Lebensgrundlage der Bevölkerung.
Ein gutes Jahr vor den fälligen Präsidentschaftswahlen November 2011 leeren sich also Kinshasas Kassen. Der Staatshaushalt 2011 ist mit 6,7 Mrd. Dollar angesetzt, von denen 3 Mrd. von ausländischen Geldgebern kommen sollen; der Entwurf dazu wird derzeit im kongolesischen Parlament beraten.