In einem gemeinsamen Papier werden nach einem Bericht von Reuters Österreich, Niederlande, Bulgarien, Zypern, Griechenland, Ungarn, Irland, Lettland, Litauen, Malta und Slowenien beim kommenden Umweltministerrat der EU am Donnerstag einen Vorschlag machen, der es Mitgliedsstaaten ermöglichen soll, den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen auf ihrem Territorium trotz einer EU-Zulassung zu verbieten. Dies sei angesichts der breiten Ablehnung die beste Lösung meinen die Regierungen dieser Länder.
„Angesichts der unbefriedigenden gegenwärtigen Situation und der Ablehnung von GVOs in breiten Kreisen der Bevölkerung vieler Mitgliedsstaaten ist die Zeit gekommen einen neuen Umgang mit der Zulassung von GMOs in der Landwirtschaft zu finden,“ zitiert Reuters aus dem gemeinsamen Papier. „Die rechtlich beste Lösung, die wir uns vorstellen, besteht in einer Reihe kleiner Änderungen der gegenwärtigen EU-Gesetzgebung, die das Recht eines Mitgliedsstaates einführt, in seinem Land den Anbau eines GVO auf unbestimmte Zeit einzuschränken oder zu verbieten.“
Zusätzlich zu einer solchen Ausstiegs-Option für bestimmte Gentechnik-Produkte schlagen die Regierungen vor, eine Liste von „sozio-ökonomischen“ Kriterien festzulegen, aufgrund derer es einem EU-Staat möglich sein soll, generell den Anbau von Gentechnikpflanzen auf seinem Territorium oder in bestimmten Regionen zu untersagen. Zunächst sollten aber Optionen geprüft werden, „die eine nationale Selbstbestimmung ermöglichen ohne damit den gesamten Zulassungsprozess für Gentechnik-Produkte in Frage zu stellen“.
Die Niederlande, als prominente Gentechnikbefürworter, hatten nach der 2/3 Mehrheit gegen die Aufhebung nationaler Verbote in Österreich und Ungarn bereits im März einen solchen Vorstoss im Agrarministerrat eingebracht. Ihr Kalkül ist es, dass auch jenen Mitgliedsstaaten, die gegen den Anbau von GVOs sind, EU-Zulassungen dann zustimmen könnten, wenn sie diese bei sich zu Hause anschließend wieder verbieten können. Jetzt werden sie von Österreich und anderen prominenten Gentechnikkritikern im Rat unterstützt. Der österreichische Landwirtschaftsminister Niki Berlakovich hatte diese Taktik bereits im April bei der Europäischen Konferenz gentechnikfreier Regionen angekündigt.
Die bisherige Gesetzgebung ermöglicht es Mitgliedsstaaten nur, vorübergehende Anbauverbote auszusprechen, die auf „neue wissenschaftlichen Erkenntnisse“ zur Gesundheits- oder Umweltschädlichkeit des jeweiligen GVO beruhen müssen. Diese sind von der EU-Kommission zu prüfen. Sieht sie die Gefahren, müßte sie den GVO EU weit verbieten. Sieht sie diese dagegen nicht, muss sie eine Aufhebung des Verbotes verfügen. Diese Verfügung kann allerdings von einer 2/3 Mehrheit der Mitgliedsstaaten ausser Kraft gesetzt werden. Dies geschah bisher regelmäßig in solchen Auseinandersetzungen und führte dazu, dass Verbote in Österreich, Ungarn, Frankreich und Griechenland seit Jahren fortbestehen. Dies wiederum hält die Welthandelsorganisation WTO nach Klagen der USA und Argentiniens für einen regelwidrigen Verstoss der EU gegen deren eigene Zulassungsbestimmungen.
Auch Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner berief sich bei ihrem Verbot der einzigen derzeit zum Anbau in der EU zugelassenen Gentechnik-Pflanze Mon 810 auf neue Studien über mögliche negative Auswirkungen des Gentechnik-Maises auf Marienkäfer, was ihr den Spott der Wissenschaftler und Gentechnikfreunde eintrug (siehe unseren Beitrag „der überforderte Marienkäfer“). Mittlerweile ist Mon 810 in den meisten Mais anbauenden Mitgliedstaaten der EU faktisch verboten (siehe Karte).
Der Vorschlag wird zunächst nur informell diskutiert werden. Zuständig für tatsächliche Gesetzesänderungsvorschläge ist die Europäische Kommission und nicht der Ministerrat, der hierfür nur Empfehlungen aussprechen kann. Es wird also von der Zusammensetzung der künftigen EU-Kommission, insbesondere bei der Besetzung des Umweltkommissars, abhängen welche Chancen der Vorstoss im kommenden Jahr hat. Wie berichtet hatte der Umwelt-Generaldirektor der EU-Kommission, Falkenberg, bereits Anfang letzter Woche in die gleiche Richtung argumentiert und dabei auf die holländische Initiative verwiesen.
Dann wird es nicht zuletzt auch von der kommenden Bundesregierung abhängen ob die Möglichkeit, nationale Gentechnikverbote zu verhängen, schließlich auch die nötige Mehrheit im Ministerrat findet. Die Möglichkeit eines Anbauverbotes auch ohne „neue wissenschaftliche Erkenntnisse“ würde künftigen Regierungen das Argument entziehen, „die in Brüssel“ hätten nun mal leider so entschieden. Sie würde das Für und Wider des Anbaus auch aus dem wissenschaftlichen Elfenbeinturm sogenannter Sicherheitsforschung heraus in ihre unmittelbare politische Verantwortung verlagern. Zunächst erwarten wir für den Vorschlag ungeteilte Zustimmung von Umweltminister Gabriel und Landwirtschaftsministerin Aigner.