vonEva C. Schweitzer 21.10.2009

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Günter Wallraffs Film ist im Kino, beinahe jedenfalls, natürlich nicht in New York, und ich hoffe, das passiert auch nicht — etwas Peinlicheres als einen Deutschen in blackface, der aussieht, als habe er sein Halloween-Kostüm in einem 99-Cent-Laden gekauft, kann ich mir weit und breit nicht vorstellen. Es ist wie Borat, nur ohne Humor. Also deutsch. Irgendwie erinnert mich die ganze Inzenierung an die Szene in Kentucky Fried Movie, wo der Danger Seeker einen Helm aufsetzt, nach Harlem geht, sich zwischen murmelspielende Schwarze stellt und “Niggers” schreit, oder, wie man heutzutage sagt, das “N-Wort äußert”.

Apropos Halloween, in unserer Straße, der 43rd Street, liegt ein Halloween-Geschäft, das ganzjährig aufhat. Früher war hier einmal ein christlicher Buchladen. Inzwischen hängt an der Tür ein Zettel, auf dem steht, “Der christliche Buchladen ist seit zwei Jahren geschlossen. Er ist geschlossen, nicht umgezogen, hört auf uns zu fragen, wo er ist.” Vor dem Halloweengeschäft verteilen Helfer Rubbellose, und wer zwei gleiche Sympbole rubbelt, gewinnt was.

Natürlich rubbele ich zwei gleiche Symbole, und ich vermute mal, auch sonst jeder, und ging in den Laden, um meinen Gewinn abzuholen. Der Gewinn war ein zehnprozentiger Rabatt auf den Kauf eines Kostüms. Nice try. Die Verkäuferin war hell-schwarz (high yellow, wie man in Amerika sagt), trug eine knall-orangerote Perücke und hatte knall-knall-knall-blaue Augen. Eigentlich ist es in New York verpönt, Leute auf ihr Äußeres anzusprechen, aber es handelte sich ja um einen Halloweenladen kurz vor Halloween.

Ich fragte sie also, sind deine Augen echt, sie sagte, nein, natürlich nicht, das seien Kontaktlinsen, und die könne ich kaufen, mit zehn Prozent Rabatt. Ich war versucht, aber ich leide noch an den Nachwirkungen der viruellen Bindehautentzündung vom Juli, und nehme Cortisontropfen. In die Augen. Andererseits, wenn sich Günther Wallraff ein Jahr lang mit Schuhcreme einreiben lässt, sollte ich nicht auch mal kleines Opfer bringen und meine Augen blau färben? Und eine blonde Perücke tragen? Und einen Wonderbra? Wer weiß, welche Erfahrungen ich dann mache. Ich bin mir sicher, das wird ein erfolgreicher Film.

Eva C. Schweitzer, Manhattan  Moments. Geschichten aus New York, erschienen bei Droemer-Knaur, Juni 2009, Taschenbuch, 9,95 €

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