Gestern, am Sonntag, gelang es mir (durch viel Geschick u. strategische Planung), den Soderberghfilm ‚Ché: il argentino, Teil 2 GUERILLA‘ auf deutsch zu sehen. Was für ein Kunstwerk! Was für eine epochale, titanische, beispiellose, uneigennützige Leistung eines Einzelnen, nämlich Soderberghs, der hier ganz offensichtlich einen Jugendtraum erfüllte beziehungsweise ihn erzwang, ihn in die Welt brach! Fünf Stunden lang hat er Ché Guevara durch den Urwald gehetzt. Und zwar so intensiv wie Werner Herzog seinen Klaus Kinski seinerzeit. Auch das ein großes Kunstwerk, wie man weiß. Herzog hat seine Anerkennung seltamerweise sofort bekommen. Bei Soderbergh wird es schwierig. Der Film läuft in ganz Berlin nur in einem einzigen Kino auf deutsch, und natürlich auch nur eine Woche. Die meisten Vorstellungen fallen aus, weil kein einziger Zuschauer bis zum Vorstellungsbeginn kommt (und danach auch nicht).
Als ich kam, waren immerhin noch zwei andere Zuschauer gekommen: ein querschnittsgelähmtes Mädchen und ein Asthmatiker, der ihren Rollstuhl schob und ihr beim Hinsetzen behilflich war. Das war rührend zu sehen, weil doch auch Ché so sehr unter Asthma litt, vor allem im Dschungel, und weil doch auch er am Ende nur noch humpeln konnte (eine Kugel hatte sein Bein zerfetzt). Um nicht aufzufallen, schleifte ich nun auch das linke Bein etwas nach.
Doch zum Film: Das Intensivste, was ich je sah. Immer O-Ton, immer Mücken, Zikaden, verseuchte Flüsse, dampfende Krokodile, schnarchende Indios, entsicherte Knarren, feindliche Helikopter. Immer Hitze. Jede Menge Geld, überall Waffen, dazu Verbandszeug, Blut, schwärende Wunden, mißhandelte Bauern, geschwängerte Bauernmädchen, furchtbar. Der Morast per se. Die berühmte Hölle auf Erden. Aber ruhig, ganz ruhig! Keine Schnitte, keine Dialoge, keine Theatralik. Nur die leisen, präzisen, unausgesetzten Befehle des comandante, und seine Begründungen. Er ist nie laut geworden, hat nie das Verständnis verloren, den Überblick, den Zuhammenhang. Nein, es war ein lupenreiner Dokumentarfilm. Dank Soderbergh bin ich dabeigewesen.
Ja, ich habe die Revolution miterlebt. Den Mauerfall habe ich verpaßt, aber die Revolution in Kuba habe ich nun im Kasten. Die kann mir keiner mehr nehmen. Es gibt doch nichts Schöneres als eigene Erlebnisse. Über Fidel und Ché kann mir nun keiner mehr etwas erzählen, denn ich war dabei, ich weiß es besser. Ich weiß es am besten, als Augenzeuge. Da kann mir kein Klugscheißer und Polit-Doktorand mehr kommen. Und ich sage Euch: Es ist kein Zuckerschlecken gewesen, im bolivianischen Urwald, in den unzulänglichen Bergen dort! Ich rühme mich nicht. Ich bin kein Held, ich wollte keiner sein. Aber es war männlich, was wir taten, wir, die kleine gelähmte Frau, der tapfere Asthmiker, der sie bis in die zweite Reihe Mitte schob, der Regisseur Soderbergh, der unerschrockene Betreiber des Neuen Kant Kinos – und ich.
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