vonsaveourseeds 21.04.2009

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Demnächst soll der zuständige Regelungsausschuss der EU Mitgliedsstaaten über die Zulassung des ersten gentechnisch veränderten Reis als Lebensmittel entscheiden. Der von der Firma Bayer entwickelte Reis „LL62“ ist resistent gegen deren hauseigenes Totalherbizid „Liberty“ (Glufosinat). Angebaut wird er bisher nirgends. Bayer geht es mit dem Antrag vor allem darum, dem Reis durch den Segen der EU in asiatischen Ländern die nötige Reputation zu verschaffen.

Reis ist das wichtigste Lebensmittel der Welt: Für die Mehrheit aller Erdenbürger das „täglich Brot“ und für die Mehrheit derer, die hungern, das was ihnen am meisten fehlt. Reis, der mit beliebigen Mengen eines Pestizids besprüht werden kann, das in der Europäischen Union wegen seiner toxischen und hormonellen Wirkung auf der Liste der zu verbietenden Substanzen steht. Ist das der Fortschritt, mit dem der Hunger in der Welt bekämpft werden soll? Ist das der Reis, den wir demnächst aus Asien importieren wollen? Die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA kann, wie üblich, keinerlei Risiken erkennen, obwohl sie das Herbizid für schädlich hält. Deshalb empfiehlt die EU Kommission die Zulassung von Bayers LL62. Er wäre der erste Gentechnik-Reis, der in der EU, aber auch in vielen Entwicklungsländern zugelassen würde.

Für Bayer geht es dabei weniger darum, den europäischen Markt für LL62 zu erschließen, als vielmehr um die Vermeidung von Problemen wie sie vor drei Jahren mit einer nicht zugelassenen Variante von LL62 (LL601 siehe SOS Dossier) auftraten: Weil in Arkansas Basissaatgut mit Reis aus Versuchen mit Bayers Gentechnikreis verunreinigt wurde, mußten weltweit die Reis-Regale leer geräumt werden. Unbemerkt hatte sich der Gentechnik-Reis im US-Saatgut ausgebreitet und fand sich nun im Langkornreis der grossen Handelsketten. Die Rückrufaktion und der bis heute andauernde Versuch, den Reis wieder aus dem Saatgut in den USA zu eliminieren soll insgesamt 1,2 Milliarden Dollar gekostet haben. Thailand, Indien und Vietnam erklärten, bei ihnen gebe es garantiert keine Gentechnik im Reisfeld. Der Export aus den USA brach zusammen. Bayer erklärte die Verunreinigung zu einem „act of god“, für den die Firma leider nicht gradestehen könne.

Weil das kein wirklicher Anreiz ist, sich auf den Anbau von Bayers Gentechreis einzulassen, will der Konzern diesmal vorbeugen: Sollte LL62 demnächst ungewollt in den Regalen auftauchen, dann wären „zufällige und technisch unvermeidbare“ Spuren bis 0,9% in europäischen Lebensmitteln legal.

Nur mit diesem Argument kann Bayer darauf hoffen, in Brasilien, wo der Anbau ab 2012 geplant ist, in den Philippinen, Indien und Südafrika, wo es sich ebenfalls um ein Zulassung von LL62 bemüht, und später in den Hauptexportländern Thailand und Vietnam eine Chance zu bekommen. Nur in den USA ist sein Anbau bisher theoretisch zugelassen, wird aber (s.o.) auch dort nicht angebaut. „Unter der weltweiten Dachmarke Arize® vertreibt das Unternehmen konventionelle Hybridreis-Saatgutsorten in sieben Ländern, die mehr als die Hälfte der weltweiten Anbaufläche repräsentieren. Darunter sind wichtige Reisanbauländer wie Indien, Indonesien oder auch Brasilien. Die Einführung von Hybrid-Reis, dessen Saatgut nicht mehr von den Bauern selbst vermehrt werden kann, ist für Bayer der erste Schritt, um ins Geschäft zu kommen. Bisher ist der meiste Reis der Welt noch samenfest. Die gentechnische Kombination mit einem Totalherbizid, gegen das der Reis dann resistent gemacht wird, ist der nächste Schritt. „Im vergangenen Jahr hat Bayer neue Reis-Forschungseinrichtungen in Singapur und Thailand eröffnet“, teilte der Konzern heute anläßlich einer neuen Kooperation mit der Gentechnik-Firma Evogen mit. Evogen entwickelt neue Sorten, nicht zuletzt für die Agrar-Sprit-Produktion. In diesem Sinne empfehlen wir die Lektüre der Pressemitteilung aus Leverkusen vom vergangenen Freitag zum Agrartreffen der G8. Ausreichend Nahrung für eine wachsende Weltbevölkerung: Bayer CropScience fordert eine „zweite Grüne Revolution“

Die Zulassung von LL62 wäre nicht zuletzt eine klassische Hilfestellung der EU zur Einführung doppelter Standards im Umgang mit Agrargiften. Denn die Beweislage gegen Glufosinat ist mittlerweile so stark, dass es zu den 22 in der Landwirtschaft eingesetzten Chemikalien zählt, die in ganz Europa verboten bzw. nicht mehr neu zugelassen werden dürfen.

  • Eine Arbeitsgruppe der Europäischen Kommission regte an, Glufosinat solle als „mögliche Gefahr für das ungeborene Kind“  eingestuft werden und es könne „die Fruchtbarkeit beeinträchtigen“ (C&L Working Group)
  • „Glufosinat-Ammonium hat ernsthafte Auswirkungen auf die Reproduktionsfähigkeit“ (EFSA, 2005)
  • die Menge der toxischen Rückstände in Kartoffeln, bei denen Glufosinat eingesetzt worden war, stellen „ein akutes Risiko für Kleinkinder“ dar (EFSA, 2005)
  • Rückstände von Glufosinat befinden sich auch in Reisprodukten (US-Umweltschutzbehörde, EPA)
  • Landwirte, die Glufosinat bei gentechnisch verändertem Mais einsetzten, waren schädlichen Giftkonzentrationen ausgesetzt, obwohl sie eine Schutzausrüstung verwendeten (EFSA, 2005)

Selbstverständlich sind die mit Bayers Form von „Liberty“ besprühten Reisfelder nicht mehr geeignet, dort z.B. gleichzeitig Aquakulturen und Enten zu halten – Monokultur und Gift für die Dritte Welt lautet seine Botschaft.

Greenpeace hat eine weltweite Kampagne gegen die Zulassung von Bayers LL62 gestartet und macht in Österreich dagegen mit Unterschriften mobil. In den Phillippinen erreichte die Organisation letzte Woche einen Gerichtsbeschluss, der die Zulassung von LL62 fürs erste verhinderte. Auch die Koordinantion gegen Bayer-Gefahren organisiert Protest.

Nachdem die Entscheidung ursprünglich bereits auf der gestrigen Sitzung des „Ständigen Ausschuss“ der EU fallen sollte, ist sie jetzt für die Sitzung am 14. und 15. Mai angesetzt. Mit einer sofortigen Zulassung ist dort zunächst nicht zu rechnen. Die hier erforderlichen zwei Drittel der Mitgliedsstaaten werden dem Ansinnen nicht zustimmen. Die Kommissions-Empfehlung wird deshalb wohl den Ministern vorgelegt werden müssen. Dort bedarf es dann allerdings einer Zweidrittel-Mehrheit, um Bayers LL62 noch zu stoppen.

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