vonMaja Wiegemann 28.02.2025

Giftspritze

Dieser Blog serviert gut verdauliche Texte aus Ökologie, Forschung und Technik - informativ & kritisch.

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Der Abwasch kommt mir gerade recht. Ich muss meine Gedanken ordnen. Gut, dass ich noch keinen Haushaltsroboter habe! Der würde glatt die Mundspülung fürs Geschirr benutzen; hat schließlich auch was mit dem Entfernen von Essensresten zu tun.

Ich spule zurück:

„Vor Gericht und auf hoher See ist jeder in Gottes Hand.“ – Was für ein alter Zopf! Nicht soo weit zurück!

20. Dezember 2024:

„Das Umweltrecht ist nur wirksam, wenn es gut vollzogen und durchgesetzt wird.“ (Umweltbundesamt)

– Hmm… Weiter:

Ich brauche Rechtsbeistand, dringend! Ich schreibe Kanzleien an, erst eine, nach der Absage die nächste; es folgt wieder eine Absage; ich versuch’s bei der nächsten; wieder eine Absage; mir rennt die Zeit weg; ich versuch’s gleich bei einem Dutzend: keine Zeit, ausgebucht, nicht zuständig. Es handelt sich schließlich um eine diffizile verwaltungs- und umweltrechtliche Angelegenheit. Nur einer ruft prompt an und offeriert seinen Dienst – auf Honorarbasis selbstverständlich, 300 Tacken die Stunde. – Ich bin platt. Von so einem Stundenhonorar ist eine Ökowissenschaftlerkarriere Lichtjahre entfernt. Das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz auch. Im Netz finde ich noch üppigere Vorstellungen. Der Anbieter verspricht ein Musterknabe zu sein: jung, dynamisch, 20 Jahre Berufserfahrung. Doch meine Versicherung macht mir einen Strich durch die Rechnung.

Die Sache fängt an, mich zu ermüden. Es ist Wochenende und ich bin immer noch nicht weiter als ich Montag war. Ich sehe ein, ich bin auf mich gestellt. Doch halt – nicht ganz! An wen wendet man sich, wenn sonst niemand mehr mit einem spricht? Nein, in diesem Fall nicht die Katze. An den Chatbot!

Ich frage ihn: „Darf ich Beschwerde gegen einen Beschluss im Eilverfahren einlegen?“ Die künstliche Intelligenz antwortet geschwind: Klar, das ginge, ohne Anwaltszwang. Und zitiert auch gleich den Paragrafen im Verwaltungsgesetz. Ich bin begeistert. Nur mein knurrender Magen rebelliert. Nach dessen Besänftigung mit hastig eingeworfenen Kalorien, nutze ich die Blutarmut im Gehirn, um mit dem Bot weiterzuplaudern: „An wen ist die Beschwerde zu richten?“ Antwort: „Das Oberverwaltungsgericht.“ Frage: „Handelt es sich dann nicht um einen Vorgang in der zweiten Instanz?“ Antwort: „Ja.“ Und es gäbe hier Anwaltszwang. – What? Offenbar ist die KI verwirrt. Ich wiederhole meine erste Frage, die ich vor dem Magenknurren gestellt hatte, und bekomme die gleiche Antwort wie vor dem Magenknurren. Dann stelle ich noch mal die Fragen wie nach dem Magenknurren und bekomme wieder dieselben Antworten wie nach dem Magenknurren. Doch nun ist der Bot unterzuckert und beendet abrupt die Unterhaltung. Ich überlege mir eine List und starte den Chat neu: „Du hast gesagt, die Beschwerde gegen den Eilbeschluss wird am Oberverwaltungsgericht eingelegt. Bedeutet das nicht Anwaltszwang?“ Blöd ist die KI ja nicht: „Du hast recht…“, schreibt sie jetzt einsichtig. Hah, diesen Streit habe ich gewonnen! Die KI hatte illegitim abgekürzt, sich auf ein Pamphlet aus einem anderen Rechtsgebiet verlassen.

Das war eine amüsante, abendfüllende Konversation! Ich gebe mich meinen Träumen hin: von einer künstlichen Instanz, die das (gerechte) Urteil ausspuckt – ohne anwaltliche Nötigung und ohne das Sparschwein zu killen. Bis dahin muss die KI dringend ordentlich gefüttert werden. Das könnte den Umweltschutz tatsächlich voranbringen.

Zurück zum Abwasch: Den würde ich dann auch einem Roboter überlassen.

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