Der Name Reinaldo Arenas wurde in Kuba lange Zeit nur hinter vorgehaltener Hand ausgesprochen. Jetzt ist in Kuba ein Buch über den ungeliebten schwulen Dichterfürsten erschienen, der Anfang der 80er Jahre die Insel verließ. Ein Indiz für den Neuanfang, dem Fidel Castro einen weiteren folgen ließ.
„Messe für einen Engel“ heißt das Buch von Tomás Fernández Robaina und das schmale Bändchen, welches dieser Tage in Havanna auf den Buchmarkt kommt, ist so etwas wie eine poetische Entschuldigung. Nicht allein vom Verfasser, dem ehemaligen Freund, Ex-Liebhaber, Ex-Agent und Ex-Feind, sondern auch vom kubanischen Kulturbetrieb und den Verantwortlichen dahinter. Reinaldo Arenas war schließlich nicht irgendjemand sondern ein Kritiker der Revolution, ein Querdenker, der in Kuba zensiert wurde und der sich offen zu seiner Homosexualität bekannte. Auf der revolutionären Insel war kein Platz für einen solchen Mann, der überall aneckte. Schon 1973, sieben Jahre bevor der aus Holguín stammende Schriftsteller die Insel verließ, wurde Arenas verhaftet und aufgefordert seine Arbeit, sein Werk zu widerrufen. Die damalige Kulturpolitik in Kuba galt als extrem orthodox und die Jahre zwischen 1970 und 1975 gingen als graues Jahrfünft in die Annalen ein. Eingeleitet wurde die Fünfjahresperiode durch den Erlass von Richtlinien für Kulturschaffende unter dem damaligen Präsident des Nationalen Kulturrats, Luis Pavón Tamayo, im Jahr 1971. Kaum etwas progressives passierte die Zensurabteilung des Ministeriums und der aufmüpfige Arenas fiel durch alle Raster. Als pornographisch wurden seine Arbeiten bezeichnet und fortan beschäftigten sich die Beamten der Staatsicherheit mit dem unbequemen Dichter. Der ergriff 1980 die Chance, um mit gefälschten Papieren über den Hafen von Mariel gemeinsam mit anderen Homosexuellen und anderen „asozialen Elementen“, so der offizielle Sprachgebrauch, in Richtung USA auszureisen. Sieben Jahre später erkrankte Arenas an Aids und weitere drei Jahre später vrstarb er mit dem Abschiedsgruß: „Cuba wird frei sein – ich bin es jetzt schon“.
Dem Mann hat man nun in Kuba ein literarisches Denkmal gesetzt und es scheint so als ob die Insel ihren Frieden mit dem lange ungeliebten Sohn machen will und obendrein auch mit den Jahren der Verfolgung von sexuell anders Orientierten. Arenas wird mit der Publikation des schmalen Bändchens quasi die Rückkehr auf die Insel gestattet. Dort ist auch der Umgang mit den Homosexuellen in den sechziger und siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts ein Thema. Nicht nur in der Community, für deren Rechte seit Jahren die Tochter von Staatschef Raúl Castro eintritt, sondern auch außerhalb. So hat sich Fidel Castro in einem Interview mit der mexikanischen Tageszeitung „La Jornada“ zum Umgang mit Homosexuellen Anfang der sechsziger Jahre geäußert. Die Verfolgung von Homosexuellen sei eine große Unrechtigkeit gewesen, so der ehemalige Staatschef. „Wenn irgendjemand dafür verantwortlich ist, dann bin ich es“, entgegnete der 84-jährige der Journalistin. Ungewohnte Töne in Kuba, obgleich Fidel Castro von sich selbst sagte, dass er diese Vorurteile gegenüber Homosexuellen nicht geteilt habe. Das ist zwar nicht ganz korrekt wie sein Satz, dass einem Homosexuellen die charakterliche Stärke zum Revolutionär fehle, nahelegt, aber das offene Eingeständnis, dass Schwule in Kuba ungerecht behandelt worden sind, ist ein Eingeständis, welches es so noch nicht gegeben hat. Ob das der offizielle Beginn von Glasnost für Kubas Homosexuelle ist?